UNICEF-Studie Teil 2

Ausgaben für Bildung: Kein klarer Zusammenhang zu Schülerleistungen

Unicef hat auch versucht, den Unterschied zwischen guten und schlechten Schülern in Unterrichtsjahren zu messen. So lagen schwache Schüler in Finnland lediglich dreieinhalb Jahre hinter den besten Altersgenossen zurück, in Deutschland, Belgien oder Neuseeland dagegen fünf Jahre. Was schon Pisa zeigte, bestätigt auch Unicef: Kinder ausländischer Herkunft haben in Deutschland, Dänemark, Belgien und selbst beim Klassenprimus Finnland ausgesprochen schlechte Karten - in Australien oder Kanada, die hohe Zuwanderungs-Quoten verzeichnen, gelingt die Integration weit besser.

Das hat möglicherweise nicht allein mit der Schulpolitik zu tun, sondern mehr mit der Zuwanderungspolitik und den Sprachkenntnissen der Immigrantenfamilien. Einen Erklärungsansatz nennt SPIEGEL ONLINE-Leser Michael Reuss: "Die Einwanderergruppen, die nach Frankreich und Großbritannien kommen, beherrschen die Landessprache zumindest rudimentär, da sie zumeist aus ehemaligen Kolonialländern stammen", so Reuss, für Deutschland nationaler Experte bei der EU-Kommission, "Australien und Kanada verzeichnen vor allem einen Zustrom aus Ostasien, wo ebenfalls oft Grundkenntnisse in Englisch bestehen."

"Gescheiterte Zuwanderungspolitik in Deutschland"

Daher sieht Reuss eine der Hauptursachen für Deutschlands Bildungsmisere die "missglückte Integration von Millionen von Ausländern" - in den Schulen könne es mit dem Leseverständnis nicht weit her sein, wenn "teils die Hälfte der Klasse Deutsch nicht als Muttersprache beherrscht und in den Häusern der Zuwandererfamilien ebenfalls nur in Ausnahmefällen Deutsch gesprochen wird."

Lorenz Borsche, gelernter Soziologe, plädiert ebenfalls für eine deutlich frühere Sprachschulung ("Das erste Schuljahr ist viel zu spät!") und sieht zudem einen Grundfehler bei allen bisherigen Bildungsvergleichen, ob bei Pisa oder jetzt bei der Unicef-Untersuchung: "Die soziale Schichtung der Zuwanderer ist absolut entscheidend für den Bildungserfolg und wurde schon bei Pisa unter den Teppich gekehrt", kritisiert Borsche.

Der Statistiker hatte bereits nach der Pisa-Veröffentlichung die Forscher zum "eigentlichen Fiasko an der Studie" erklärt. Der Hauptfaktor für das so unterschiedliche Abschneiden etwa benachbarter europäischer Länder sei die Migration, denn Immigrant sei nicht gleich Immigrant: "Der Sohn eines anatolischen Ziegenhirten wird als Immigrantenkind, zumindest wenn er die Landessprache nicht frühzeitig lernt, in der Regel schlechter abschneiden als der Sohn eines indischen Arztes, der später von seiner Oberschichtfamilie zum Studium nach Oxford geschickt werden soll", so Borsche.

Westliche Staaten hätten die Zuwanderung sehr unterschiedlich geregelt, und den Einfluss auf die Bildungskarrieren nennt Borsche eine "unangenehme Wahrheit". Kanada oder Australien beispielsweise wählten die Einwanderer stark nach wirtschaftlichen Kriterien aus, Deutschland dagegen drücke sich vor dem Eingeständnis, längst ein Einwanderungsland zu sein. Ob Lehrer-Weiterbildung, dreigliedriges Schulsystem oder Lehrpläne, ob Bildungsausgaben, Klassenrgöße oder Zentralabitur - gegen den Faktor Immigration könne man alles andere bei den Bildungsvergleichen "glatt vergessen", behauptet Borsche: "Das ist die Rechnung für die gescheiterte Zuwanderungspolitik in Deutschland, und Änderungen werden Jahrzehnte brauchen."

Unicef ermittelte eine Rangliste der 24 untersuchten Länder aus einer Kombination von fünf Bildungs-Tests. Die Prozentzahlen in Klammern stehen dabei für den Anteil der Jugendlichen, die ein Mindestmaß an Anforderungen nicht erreichten - je weniger, desto höher die Platzierung im Ranking.

1. Südkorea (1,4 Prozent)
2. Japan (2,2)
3. Finnland (4,4)
4. Kanada (5,0)
5. Australien (6,2)
6. Österreich (8,2)
7. Großbritannien (9,4)
8. Irland (10,2)
9. Schweden (10,8)
10. Neuseeland und Tschechien (je 12,2)
12. Frankreich (12,6)
13. Schweiz (13,0)
14. Belgien und Island (je 14,0)
16. Norwegen und Ungarn (je 14,2)
18. USA (16,2)
19. Deutschland und Dänemark (je 17,0)
21. Spanien (18,6)
22. Italien (20,2)
23. Griechenland (23,2)
24. Portugal (23,6)




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