Ich finde es bemerkenswert und großartig, dass jetzt offensichtlich allgemein der Grundsatz "helfen statt strafen" zum Durchbruch kommen soll. Doch ich möchte schon darum bitten, die Mediatoren nicht nur als simple Streitschlichter zu sehen, die diese Funktion übernehmen, um dann vielleicht bei einer Klassensprecherwahl zu punkten. Ich möchte daran erinnern, dass es leider immer wieder vorkommt, dass Schüler in ihrer Verzweiflung zu sehr viel fähig sind. Es kann sein, dass Gewalt gegen andere gerichtet wird oder gegen sich selbst. Wir alle kennen die Fälle, wir haben sie diskutiert. Und ich möchte mir nicht vorstellen, was passiert, wenn durch ein unkundiges, ungeschicktes Vorgehen eines Mediators das Gegenteil von dem eintritt, was eigentlich beabsichtigt war. Wir können nicht nach dem Grönemeyer-Song vorgehen und sagen "dem Trübsinn ein Ende, die Welt gehört in Kinderhände". So sehr wir ehrliches Bemühen und guten Willen anerkennen sollen, so sind für Problemlösungen umfangreiche Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich. Es sollte an jeder Schule Fachleute geben, die mit allen anstehenden Problemen zumindest einigermaßen zurechtkommen. Es ist allein schon ein sehr umfangreiches Wissen erforderlich, um einem Ratsuchenden sagen zu können, bei welcher Person oder Institution man am besten Rat und Hilfe finden kann. Schüler als Mediatoren - so gut dies auch gemeint ist, aber ist hier nicht die Gefahr extrem groß, dass persönliche Probleme einzelner Schüler durch eine nicht vertrauliche Behandlung vielleicht ein noch größeres Problem erzeugen? Ich will in diesem Zusammenhang an eine Diskussion erinnern, die wir schon vor geraumer Zeit geführt haben - über das Unterrichtsprinzip Ethik. Meines Erachtens sollen wir unseren Schülern Wertvorstellungen mitgeben, damit der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft gesichert ist. Wenn wir uns mit Ethik beschäftigen, dann kommen wir auch zu einer Erörterung, was geschieht, wenn ein Einzelner mit den Herausforderungen des Lebens, mit den schulischen oder privaten Anforderungen oder des sozialen Umfeldes nicht entsprechend zurechtkommen kann. - In diesem Bereich stehen wir vor großen Aufgaben.
Günter Wittek
----- Original Message -----
From: Josef Zwickl
To: Günter Wittek ; 'Lehrerforum'
Sent: Saturday, November 30, 2002 6:14 PM
Subject: Re: Mediation
Die von Koll. Wittek gestellten Fragen kann ich nicht beantworten. Jedoch scheint mir als langjährig abdienender Lehrer, dass die Problempotentiale in den letzten Jahren stärker geworden sind. Schüler als "gleichrangige" Problemlöser einzusetzen halte ich daher für weit besser als nur zu zu sehen oder die altbekannten Disziplinarmaßnahmen anzuwenden. Ich selbst habe noch keine Erfahrung mit diesen Problemlösern gehabt, jedoch konnte ich feststellen, dass die solcherart ausgebildeten Schüler bei der letzten Schulsprecherwahl einen sehr starken Zuspruch erhielten. Das bedeutet, dass ihre Tätigkeit auf hohe Akzeptanz unter den Schülern stößt. MfG J.Zwickl
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