Vorbemerkung E.W.:

Im TREND gibt es jeden Monat einen zweiseitigen Beitrag „Malik on Management“, häufig mit soziologischen und psychologischen Inhalten, denn ich immer mit Gewinn lese.
In der Dezember-Nummer (Seite 150 – 151, Titel „Lernen am Leben“) fühlte ich mich so an diverse erlebte Fortbildungsveranstaltungen erinnert, daß ich einen Ausschnitt abgetippt habe. Kommt Ihnen das Folgende nicht auch irgendwie bekannt vor?


„In der Seminarszene, über- wie innerbetrieblich, haben sich einige eigentümliche Entscheidungen eingebürgert, die man im Grunde nur in die Kategorie der Rituale und Kulthandlungen einordnen kann. Sie dienen – obwohl mit dogmatischem Eifer das Gegenteil behauptet wird – höchst selten der Wirksamkeit des Lernens. Weit eher stehen sie im Dienste des Egos und der Profilierung von Trainern, der Verbreitung einer Aura der Wichtigkeit, nicht selten einfach dem Zweck, Zeit so zu vertun, dass die Teilnahmer es möglichst nicht merken.

Dazu gehören zum Beispiel die meisten zeitkonsumierenden Eröffnungs- und Einstiegsrituale wie gegenseitige Bekanntmachungs- und Vorstellungsrunden. Die dabei verbreitete oder gewonnene Information ist zumeist weder für das Thema noch für den Lernerfolg wichtig, aber sie werden dennoch routinemäßig abgewickelt. Sie helfen unsicheren Trainern, Anfangsschwierigkeiten und Lampenfieber zu überwinden, und an Stoffarmut leidenden Referenten, ihre Zeit zu überbrücken.

Auch in diese Kategorie gehört ein guter Teil der Erhebung und Diskussion von sogenannten Erwartungshaltungen der Teilnehmer, gelegentlich mit großem Aufwand an Kärtchenkleben und Kärtchenclustern. Gut konzipierte Seminare haben ein klares Programm und eine im Voraus überlegte Stoffauswahl, die im Hinblick auf präzise definierte Zielgruppen gestaltet wurden.

Wenn das so ist, braucht man keine Erwartungen mehr zu erheben, denn die Teilnahmer erwarten, dass das Programm erfüllt wird. Zu Beginn einer Oper oder eines Symphoniekonzerts wird auch niemand nach seinen Erwartungen gefragt, sondern er hat das Programm studiert und aufgrund dessen seine Entscheidung getroffen.

Ähnliches gilt für einen ins Gewicht fallenden Prozentsatz sogenannter Gruppenarbeiten und deren Präsentation, mit zwar durchaus hohem
Unterhaltungs- und Beschäftigungswert, aber nur selten zu rechtfertigendem Aufwand-Ergebnis-Verhältnis.

Um nicht mißverstanden zu werden: Alle diese Dinge können auch vorbildlich eingesetzt werden und zeitigen dann hervorragende Wirkung. Sie sind aber eben auch Einfallstore für Missbrauch, Scharlatanerie und Zeitverschwendung. Das eine vom anderen zu unterscheiden und zu trennen ist eine der wichtigsten, wenn auch häufig vernachlässigten Aufgaben.“

--
Diese Liste wird vom Computer Communications Club (http://www.ccc.at) betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im Nachrichtentext.