DER STANDARD
Dienstag, 3. Dezember 2002, Seite 21 Wirtschaft & Recht


Wehrpflicht diskriminiert Männer nicht

Luxemburg/Brüssel - Die Wehrpflicht nur für Männer behindert zwar deren Zugang zum Arbeitsmarkt. Ein Verstoß gegen die Gleichbehandlungsbestimmungen im europäischen Recht liegt darin aber nicht - so die Ansicht der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Christine Stix-Hackl.

Auf den latenten Konflikt zwischen Wirtschafts- und Wehrrecht geht sie in ihren Schlussanträgen in einem Verfahren ein, das ein deutscher Wehrpflichtiger gegen die Bundesrepublik angestrengt hatte (Rs. C-186/01, Alexander Dory). Die Generalanwältin stellt fest, dass die Ableistung des Wehrdienstes für Männer den Zugang zum Arbeitsmarkt durchaus gerade aufgrund geschlechtsspezifischer Aspekte verzögere.

Dieser Nachteil im Vergleich zu Frauen sei aber nicht Inhalt des Wehrpflichtgesetzes, sondern nur dessen Auwirkung. Da das Gesetz nicht die Regulierung des Zugangs zum Arbeitsmarkt zum Gegenstand habe, sei es also nicht von der Gleichstellungsrichtlinie auf EU-Ebene erfasst. Die Richter des EuGH folgen in der übergroßen Mehrzahl der Fälle den Anträgen der Generalanwälte. (jwo)


Kommentar E.W.:

Derselbe Sachverhalt ist auch Gegenstand einer Meldung im aktuellen PROFIL (Seite 14). Dort heißt es: "Der während des Präsenzdienstes unterbundene Zugang zum Arbeitsmarkt für Männer sei nicht Inhalt des deutschen Wehrpflichtgesetzes, sondern bloß eine Auswirkung." Daher stelle er keinen Verstoß gegen die Gleichbehandlung dar.


Mir kommt vor, daß hier ein richtungsweisendes Erkenntnis von der Männerwelt schlicht und einfach verschlafen wird.
Man läßt es offenbar einer weiblichen Person im Richteramt widerspruchslos durchgehen, daß mit einer schwindlichen Begründung etwas aufrechterhalten wird, was mit Händen zu greifen ist: eine Diskriminierung der Männer durch den Wehrdienst.
Zwischen Inhalt und Auswirkung eines Gesetzes zu unterscheiden, ist eine kasuistische Pflanzerei - noch dazu, wo ja die Dame selber die diskriminierende Auswirkung zugibt.
Wenn ein auf Höchstgeschwindigkeit getrimmtes Auto ein miserables Crash-Verhalten zeigt, weil man jeden Deka Gewicht einsparen möchte, dann ist das schlechte Crash-Verhalten auch nicht beabsichtigt, sondern "bloß eine Auswirkung" des Leichtbaues - heißt das etwa, daß man es zum Verkehr zulassen muß?

Soweit ein paar reaktionäre Gedanken eines Zeitgenossen, der es auch nicht versteht, warum ein (lediger) Herrenfriseur um fünf Jahre länger arbeiten muß als eine (ledige) Damenfriseuse - und da ist der Wehrdienst noch gar nicht eingerechnet, genausowenig wie der Umstand, daß die Frau bei fünf Jahren weniger Beitragszahlung ihre Pension insgesamt um fast 15 Jahre länger bezieht als der Mann (5 Jahre früher in Pension + beinahe 10 Jahre längere Lebenserwartung). Die Versicherungsmathematik ist offenbar genauso blind wie (angeblich) Justitia.

Erich Wallner







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