Es ist an der Zeit, dass Österreich AUCH AUF DIESEM GEBIET wieder ein Rechtsstaat wird. Da ist - derzeit - einzig und allein die WIRTSCHAFTSKAMMER und die REGIERUNG in Form des Justizministeriums, und dann das Parlament
gefordert: Von der Gewerkschaft ist längst schon nichts mehr zu erwarten. Täglich drei Insolvenzen im Baugewerbe - das ist bekannt, wer darüber schweigt - wie die Medien - macht sich mitschuldig.
ETHISCHE ANSPRÜCHE in der Wirtschaft sollten ALLEN ein Anliegen sein; ansonsten wird Österreich ein Ausbeuterstaat. N. Häfele
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: Erich Wallner [SMTP:erich.wallner@aon.at]
> Gesendet am: Donnerstag, 5. Dezember 2002 06:08
> An: 'Lehrerforum'
> Betreff: LF: Menschenrechte in Ö (2)
>
> DER STANDARD
> Donnerstag, 5. Dezember 2002, Seite 39
>
> Entdeckungen bei einem Blick aus dem Elfenbeinturm
> Wenn einem der jüngste Stand der Koalitionsdebatten plötzlich ziemlich
> wurscht wird: Aufzeichnungen einer Bewohnerin der "Hallen der
> Wissenschaft" von einer Begegnung mit der Wirklichkeit, unweit von ÖGB
> und Ballhausplatz.
>
> Elisabeth Nemeth*
>
> Verzeihen Sie, wenn ich die Diskussion um Schwarz-Grün oder
> Schwarz-Rot unterbreche, aber vielleicht findet auch eine Begebenheit
> am Rand der öffentlichen Wahrnehmung Ihr Interesse. Die Rede ist von
> einem der größten Renovierungsprojekte des Bundes in Wien - der Anfang
> Oktober von Rektorat und Bundesimmobiliengesellschaft in Auftrag
> gegeben Instandsetzung der alten Fassade des Neuen Institutsgebäudes
> (NIG) in der Universitätsstraße. (STANDARD-Bericht vom 4. 11.) Seither
> erinnern mich Hämmer und Pressluftbohrer Tag für Tag daran, dass auch
> die Elfenbeintürme der Wissenschaft aus Beton sind. Vor dem Fenster
> meines Büros im 3. Stock balancieren Arbeiter voll beladene
> Scheibtruhen und rufen mir so ins Gedächtnis, dass andere Leute ihr
> Geld unter sehr viel härteren Bedingungen verdienen als
> Universitätsprofessor(inn)en. Letzten Freitag hatte ich freilich noch
> eine ganz andere Lektion über die Wirklichkeit "da draußen" zu lernen.
> Am frühen Nachmittag kam es auf der Straße vor meinem Fenster zu einer
> lautstarken Auseinandersetzung. Als ich zum Eingang Liebiggasse komme,
> stehen mehrere Polizeiwägen da, Polizisten versuchen wütend
> gestikulierende Arbeiter zu beruhigen. Ein Unfall? - Nein. Die Ursache
> der Aufregung ist eine andere: Keiner der Arbeiter hat für Oktober und
> November bisher auch nur einen einzigen Euro Lohn gesehen. Alle sind
> Woche für Woche vertröstet worden - zuletzt auf Ende November.
> Umsonst. Auch am Freitag, 29. 11. 2002, erklärt ihr Chef, das Geld sei
> nicht zur Verfügung. Die Polizei wurde gerufen, als zwei Arbeiter, die
> in den letzten Wochen ihre Wohnung verloren haben und ein anderer, dem
> für Montag die Delogierung droht, dem Firmeninhaber eins über den
> Schädel hauen wollten.
>
> "Gib 50 Euro her!"
> Auch jetzt noch drängen sich Kollegen dazwischen, wenn einer die Nerven
> verliert und zuschlagen will. Die Polizisten befragen, versuchen zu
> beruhigen, halten wütend schreiende Männer zurück. Einmal packt einer
> den Firmenchef (ein untersetzter Mensch mit offenem Hemd und Goldketterl
> auf der haarigen Brust) am Kragen: Gib 50 Euro her, und zwar sofort!
> Nach kurzem Zögern rückt der Chef den 50er heraus. Der Arbeiter dreht
> sich um und drückt den Schein einem anderen in die Hand: Du geh jetzt in
> die Apotheke.
> Später erfahre ich, dass sein Kollege eine vier Monate alte Tochter hat,
> die Diabetikerin ist. Ich erfahre auch, dass die Truppe bei einer
> Subfirma der Strabag angestellt ist. Die Subfirma hat ihren Namen seit
> September vier Mal geändert: Haselbauer, Angelovic, Köstlbauer. Jetzt
> heißt sie Ledermüller. Bis heute inseriert sie in der Zeitung, immer
> wieder unter anderem Namen: damit sie neue Leute findet. Der Firmensitz
> befindet sich in einem Lokal, das dem Chef gehört, irgendwo in einem
> Außenbezirk. - "In ,Wien heute' ist eh schon ein Film über die Firma
> gelaufen. Da ist es um die Baustelle Hohenstaufengasse, bei der
> ehemaligen CA gegangen. Haben S' den Film nicht gesehen?" - Nein, hab
> ich nicht. Ich hab bisher überhaupt noch nicht viel gesehen von dieser
> Welt, die hier vor den Toren der Universität beginnt. Mitten in der
> Innenstadt Wiens. Nicht weit vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit.
> Nicht weit vom Büro des ÖGB.
> Gewerkschaft? - Ach wissen Sie, wie soll das gehen, wenn die Firmen
> ständig in Konkurs gehen und ihren Namen ändern . . . Arbeiterkammer? -
> Ja schon, aber das dauert doch Monate. Ich brauch das Geld doch jetzt.
> Ein Handy läutet: "Ja, ich hol' die Kleine vom Kindergarten ab, hab'
> hier nicht gleich weg können . . . Ich weiß nicht, wie ich meiner Frau
> sagen soll, dass ich das Geld auch heute nicht hab."
> Leider bin ich keine Schriftstellerin. Ich würde gern treffende,
> angemessene Worte finden für die Empörung und Verzweiflung der Menschen,
> die hier hemmungslos bestohlen werden, aber auch für die
> Freundschaftlichkeit unter ihnen und die Bemühung um Ruhe und Vernunft.
> Ich frage mich, wann zuletzt ich in der universitären Welt, die auf der
> anderen Seite dieser Tore liegt, so viel spontane Loyalität und
> reaktionsschnelle Klugheit erlebt habe wie hier.
> Fragen an die Politik
> Diese Frage vergesse ich lieber so schnell wie möglich. Andere vergesse
> ich nicht und werde ihnen nachgehen. Wie um alles in der Welt ist es
> möglich, dass eines der größten Renovierungsprojekte, die der Bund in
> den letzten Jahren ausgeschrieben hat, von einer Firma durchgeführt
> wird, die ihre Arbeiter nicht bezahlt? Oder so spät bezahlt, dass sie in
> der Zwischenzeit delogiert werden? Wieso vergibt die Republik ihre
> Bauvorhaben nicht an seriöse Baumeister? Und wann endlich machen
> Sozialdemokraten, Grüne und Gewerkschaften die
> Beschäftigungsverhältnisse, die noch immer "untypisch" genannt werden
> (obwohl sie von Jahr zu Jahr typischer werden), zu ihrer ureigensten
> Sache? Und die Rechte dieser Menschen zur Priorität ihrer politischen
> Anstrengungen?
>
> PS.: Die Bauarbeiter, die seit Oktober an der Fassade gearbeitet
> haben, haben den Zeitplan mehr als erfüllt: Sie sind zwei Wochen
> früher dran als ursprünglich vorgesehen. Es stünde der Leitung der
> Universität gut an, alles in ihrer Macht stehende dafür zu tun, dass
> sie umgehend zu ihrem Lohn kommen.
>
> *Assistenzprofessorin am Institut für Philosophie der Universität Wien
>
>
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