SPIEGEL: Schule -Weg ins Abseits (3)
Wie sehr Pädagogen oftmals das Problem ausblenden, hat auch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen herausgefunden. Quer durch alle Schulformen, so die Studie, gäben Schüler deutlich häufiger zu, geschwänzt zu haben, als dies ihre Lehrer registriert hätten. Während beispielweise in Hamburg nur 9,2 Prozent aller Lehrer glaubten, ihre Schüler hätten fünf Tage und mehr unentschuldigt gefehlt, räumten das 15,7 Prozent der hanseatischen Schüler auf Befragen ein.
Für die ohnehin oft unter Schulmisserfolgen leidenden Jungen und Mädchen ist die fehlende Reaktion ihrer Lehrer meist ein weiterer Beweis dafür, dass sich sowieso niemand für sie interessiert. "Manche Schülerinnen und Schüler", sagt Expertin Schreiber-Kittl, "versuchen, durch Fehlzeiten die Erwachsenen auf ihre schwierige Situation aufmerksam zu machen."
Und die Lehrer? Die sind gelegentlich wohl gar nicht so böse, einen ihrer Quälgeister mal eine Weile los zu sein. Oder aber sie sind, bei 25 Schülern in der Klasse und immer mehr zerrütteten oder desinteressierten Elternhäusern, schlichtweg überfordert.
Engagieren sie sich aber doch, bleiben von ihren Bemühungen, die säumigen Schüler wieder einzufangen, häufig nur Berge Papier, auf dem sie ihre Anstrengungen protokolliert haben: Die Eltern angerufen - die notierte Handy-Nummer stimmte nicht mehr; ihnen einen Brief geschrieben - keine Antwort; das Elternhaus aufgesucht - die Tür wurde nicht geöffnet; das Jugendamt eingeschaltet - der Sachbearbeiter war nicht da oder für den Fall gerade nicht mehr zuständig. "Bis wir herausgefunden haben, wer das jetzt macht, ist schon viel Zeit vergangen", sagt die Deutschlehrerin Mechthild Ollrog von der Mornewegschule in Darmstadt.
Dort helfen seit acht Monaten die Mitarbeiter von KOMM, einer Einrichtung des Christlichen Jugenddorfwerkes, der Hertie-Stiftung und der Stadt Darmstadt, Schulverweigerung zu verhindern. Margit Simon und Mark Schwerdt sind Experten für alles, was in einem Schülerleben schief gehen kann. Sie fahnden nach Schwänzern, reden mit Lehrern, besuchen Eltern, auch am Wochenende oder am Abend, schlichten Kinderstreit.
Ihr Arbeitsplatz ist ein quietschgelb gestrichener Raum im Parterre der Mornewegschule. Hier sitzen die Sozialarbeiterin und der Pädagoge an einem Dienstagmorgen, schnipseln Obst und erwarten ihre kleine Kundschaft. Lange dauert es nicht, bis sich die Zehn- bis Zwölfjährigen um sie drängeln.
Dabei wird auf den ersten Blick nichts geboten, was Kinder besonders faszinieren könnte. Lediglich ein paar Spiele, mehrere Jugendmagazine - und zwei Erwachsene, die keine Zensuren geben, sondern einfach nur für sie da sind.
KAREN ANDRESEN
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