Vorbemerkung E.W.: Diesen Artikel poste ich hauptsächlich wegen des folgenden Absatzes: "Der wohl größte Fehler der heimischen Chefverhandler war zweifellos, sich nie dazu durchzuringen, auch die heimischen Lkw-Fahrten bei der Umweltbelastung mitzuzählen. So als ob der ausländische Lkw mehr stinkt als der heimische. Dies noch dazu, wenn man weiß, dass von den insgesamt 8,6 Milliarden mit Lkw gefahrenen Kilometern nur 300 Millionen - oder 3,5 Prozent - auf den internationalen Transit, der Rest auf heimische Fahrten entfallen."

Haben Sie das mit den 3,5% gewußt?




Donnerstag, 12. Dezember 2002, Seite 32
Kommentar 

Eine peinliche Lachnummer

Nicht der Kampf um die Ökopunkte, sondern wie er geführt wird, ist Europa suspekt

Katharina Krawagna-Pfeifer

Die Europäische Union gleicht mehr denn je einem Basar, auf dem hemmungslos mit nationalen Interessen gehandelt wird. Dies wird gerade vor dem immer wieder als "historisch" bezeichneten Kopenhagener Erweiterungsgipfel der Staats- und Regierungschefs der EU, der heute beginnt, deutlich. Bis zuletzt wird sowohl von den alten als auch von den voraussichtlich zehn neuen Ländern der EU um Geld, Quoten und nationale Besitzstände gerungen.
Sie reichen vom Wunsch nach weiterem Verzehr des so genannten kleinen Herings im Fall der Letten über den Singvogelfang in Malta bis zur polnischen Forderung nach weiterem Import von Billigbananen, höheren Agrarquoten, Mehrwertsteuerermäßigungen für landwirtschaftliche Maschinen sowie höheren Kompensationszahlungen, um nur einige wenige Beispiel aus der langen Warschauer Liste anzuführen. Was bei den Kandidatenländern noch irgendwie nachvollziehbar ist - auch Österreich hat beim EU-Beitritt um zahlreiche Ausnahmeregelungen gekämpft -, gerät bei den alten Ländern jedoch ins Zwielicht. Dies gilt für Italien und Portugal, die im Basar des nationalen Interessenhandels stark vertreten sind. Besonders peinlich führt sich allerdings Österreich auf, was nicht zuletzt der dänische Außenminister Per Stig Möller mit seiner ironischen Frage nach dem Status Österreichs in der Union verdeutlicht hat. Wobei Österreich grundsätzlich Recht hat. Es ist nicht einzusehen, dass die Frächterlobby in Deutschland und Italien freie Fahrt auf allen Linien haben soll. Deshalb wurde Österreich ja seinerzeit die Ausnahme vom EU-Recht in Form des Transitvertrags zugestanden. Die derzeit verfahrene Situation, die Bundeskanzler Wolfgang Schüssel jetzt zum europäischen Poker hochstilisiert, ist aber hausgemacht. Schon längst hätte sich Österreich um eine Verlängerung bemühen müssen. Schließlich ist seit Jahren bekannt, wann der Vertrag ausläuft. Schüssel weiß das am besten, denn schließlich war er während der Entstehungszeit des Transitvertrags Wirtschaftsminister. Nun so zu tun, als ob es in letzter Minute darum ginge, eine Trophäe nach Hause zu bringen, ist tricky. Das mag für den Hausgebrauch durchgehen. Auf europäischer Ebene kennt man die Dinge allerdings von vielen Seiten und betrachtet sie mit weniger Emotion. Der wohl größte Fehler der heimischen Chefverhandler war zweifellos, sich nie dazu durchzuringen, auch die heimischen Lkw-Fahrten bei der Umweltbelastung mitzuzählen. So als ob der ausländische Lkw mehr stinkt als der heimische. Dies noch dazu, wenn man weiß, dass von den insgesamt 8,6 Milliarden mit Lkw gefahrenen Kilometern nur 300 Millionen - oder 3,5 Prozent - auf den internationalen Transit, der Rest auf heimische Fahrten entfallen. Dazu kommt die Unfähigkeit zum politischen Lobbying. Die drei Verkehrsminister, die seit 2000 das Verkehrsressort geführt haben, brachten herzlich wenig zustande. Dass Österreich aber nun zur europäischen Lachnummer verkommt, ist auf die äußerst ungeschickte Junktimierung der Ökopunkte-Frage mit sachfernen Themen zurückzuführen. Denn was haben Zinsbesteuerung und der Melker Prozess zu Temelín mit dem Transit zu tun? Das erste Junktim musste Finanzminister Karl-Heinz Grasser herstellen, das letztere Außenministerin Benita Ferrero-Waldner bei der Sitzung des Allgemeinen Rats am Dienstag. Sie konnte einem beinahe Leid tun, weil ihr selbstverständlich die peinliche Situation bewusst war, in die man geraten ist. Statt nun die beleidigte Leberwurst zu spielen, die von der "bösen" EU nicht verstanden und sogar ausgelacht wird, sollte Österreich einmal darüber nachdenken, ob seine Interessenvertretung in Europa optimal ist. Denn die Dinge lange laufen zu lassen und am Ende Feuer zu schreien bringt nicht sehr viel, wie das Feilschen um die Ökopunkte zeigt. Denn nach diesem Schauspiel muss Österreich froh sein, den Minimalkompromiss halten zu können.
Schüssel vor EU-Gipfel: "Wir lassen uns nicht abwimmeln" (Titelseite)


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