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22.12.2002 17 : 58 Uhr
Streit um Markt für Bildung, Wasser, Gesundheit
Hinter verschlossenen Türen werden weit reichende Liberalisierungen auf WTO-Ebene verhandelt. Mit der Kampagne "Stopp GATS" laufen Arbeiterkammer, ÖGB, Greenpeace, Hochschülerschaft, die Globalisierungskritiker von Attac und andere Vereine gegen die weit reichenden Liberalisierungspläne der WTO im Dienstleistungssektor Sturm.
Sie können der Öffnung von Bereichen wie Gesundheit, Wasser, Bildung oder Personenverkehr für den Markt nichts abgewinnen. Außenhandel ist EU-Sache. Die EU legt im März Liberalisierungsangebote auf den Tisch. Österreich meldet im Februar nach Brüssel, wie weit es zu gehen bereit ist.
Josef Mayer, Sektionschef im Wirtschaftsministerium, und Attac-Sprecher Christian Felber tauschten im KURIER-Streitgespräch ihre kontroversiellen Standpunkte aus.
KURIER: Herr Mayer, Sie sind GATS-Chefverhandler für Österreich. Zur Öffnung welcher Dienstleistungssektoren wird sich Österreich bereit erklären?
MAYER: Genaues darf ich nicht sagen. Wir holen derzeit die Wünsche der Wirtschaft und der Ministerien ein, welche Bereiche wir bis Mitte Februar nach Brüssel melden. Es wird kein progressives Angebot sein und kaum Bereiche der öffentlichen Dienstleistungen enthalten.
ATTAC: Warum veröffentlichen Sie nicht einfach, was andere WTO-Mitglieder von Österreich schon gefordert haben und welche Bereiche Österreich im Gegenzug zur Öffnung anbieten wird? Die EU drängt ihre Handelspartner zur Liberalisierung einer ganzen Reihe heikler Bereiche: von der Wasserversorgung bis zum öffentlichen Personentransport. Wenn die EU so viel fordert, muss doch einiges auf uns zukommen.
MAYER: Sie müssen unterscheiden, an wen Forderungen gestellt werden. In der EU funktionieren die öffentlichen Dienstleistungen gut, nicht aber in vielen Entwicklungsländern. Wollen Sie diesen unser Know-how vorenthalten?
Können Sie ausschließen, dass Österreich Liberalisierungsschritte in den Bereichen Wasserversorgung, Gesundheit, Bildung und Personenverkehr anbietet?
MAYER: Ausschließen kann ich nichts. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass irgendwer in Österreich solche Angebote machen möchte.
Und die Forderungen an Österreich?
MAYER: Wenn amerikanische Unis bei uns tätig werden wollen, muss man sich damit auseinander setzen. Im Gegenzug können ja auch europäische Unis auf den bereits liberalisierten US-Bildungsmarkt in den Wettbewerb treten. Bei uns wäre eventuell die Erwachsenenbildung in den Volkshochschulen betroffen. Das GATS böte dann Spielraum für Kriterien wie eine Mindestanzahl an Lehrveranstaltungen über österreichische Kultur.
ATTAC: Damit hätten Bildungskonzerne, die schon auf Öffnung des Uni-, Schul- und Kindergartensektors spitzen, den Fuß in der Tür.
Und die Gesundheit . . . ?
ATTAC: Konkrete Forderungen sind uns hier nicht bekannt, es geht um die Zukunftsszenarien. Die Weltbank schätzt den globalen Gesundheitsmarkt auf 3,5 Billiarden US-Dollar. Die US-Konzerne scharren auch hier in den Startlöchern.
MAYER: Sie verunsichern doch. Die Grenzen der Liberalisierung sind dort, wo sie die Staaten ziehen. Es herrscht Einstimmigkeit in der WTO. Niemand wird zu etwas gezwungen.
ATTAC: Klingt gut. Aber der Liberalisierungsdruck wird immer stärker werden.
MAYER: Ich kann mir nicht vorstellen, dass in zehn Jahren alles liberalisiert ist. Im Warenverkehr gibt es nach jahrzehntelangen Verhandlungen noch immer Zölle und Mengenlimits.
ATTAC: Die Öffnung im Warenhandel hat deswegen so lange gedauert, weil die Wirtschaftsmächte protektionistische Interessen haben. Im Dienstleistungsbereich geht es schneller. Wer konnte sich vor 10 Jahren vorstellen, wo heute die Post steht.
MAYER: Sie vergleichen Äpfel mit Birnen. Die Postliberalisierung ist die Vertiefung des EU-Binnenmarkts.
Was bedeutet GATS für die Entwicklungsländer?
ATTAC: Dass Konzerne bald deren Grundversorgung kontrollieren. Da ein Kursplus für die Aktionäre erreicht werden muss, werden nur jene versorgt, die zahlen können. Die Grundversorgung muss aber durch höhere Entwicklungshilfe, zinslose Kredite oder Tobin-Steuer sichergestellt werden.
MAYER: Die Länder können genau festlegen, unter welchen Bedingungen etwa Gesundheitsdienste angeboten werden können. Außerdem wollen sie über das GATS verstärkt auf unsere Märkte.
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