Vorbemerkung E.W.: Wie oft kommt es schon vor, daß sich objektiv erweisen läßt, wer in einer LF-Diskussion Recht gehabt hat und wer nicht?




DER STANDARD
Donnerstag, 9. Jänner 2003, Seite 5

"Medienwirksame" Gewalt

Eineinhalb Jahre nach dem Weltwirtschaftsgipfel von Genua mit seinen Gewaltexzessen überführen die von einigen italienischen Zeitungen publizierten Verhörprotokolle die Exekutive endgültig massiver Beweisfälschungen und ungerechtfertigter Gewaltanwendung.

Gerhard Mumelter aus Rom

In der Hauptsache geht es um den Polizeieinsatz am 21. Juli 2001 in der Genueser Schule "Armando Diaz", die Globalisierungsgegnern als Nachtquartier zugewiesen worden war. Sicherheitskräfte drangen in die Schule ein, rissen die Demonstranten aus dem Schlaf und nahmen 93 von ihnen fest, 66 Menschen wurden dabei (teils schwer) verletzt. Die Polizei wird beschuldigt, die großteils Jugendlichen wahllos zusammengeschlagen zu haben, obwohl alle ihre Hände hochgehalten hätten und sich niemand gewehrt habe. Die Festgenommenen wurden in eine Polizei-kaserne geschleppt, wo sie eigenen Angaben zufolge von der Polizei schwer misshandelt worden sind. Die nun veröffentlichten Untersuchungsprotokolle ma-chen deutlich, dass die Polizei nach ihrem vorherigen Versagen gegen andere, gewalttätige Demonstranten auf der Straße unter massivem Erfolgsdruck stand. Aus Rom habe er den Befehl erhalten, "so viele Demonstranten wie möglich fest-zunehmen", gesteht der Chef des Sonderkommandos SCO, Francesco Gratteri. So habe man sich zur nächtlichen Erstürmung der Diaz-Schule entschlossen. An den damals von Polizisten gemeldeten "Regen von Steinen und Wurfgeschoßen", der sie dort empfangen habe, will sich keiner der Beamten mehr erinnern. Die in der Schule beschlagnahmten und tags darauf der Presse präsentierten Molotowcocktails hatte das Einsatzkommando vorsorglich selbst mitgebracht. Der stellvertretende Polizeichef von Genua, Pietro Troiani, sagte dazu aus: "Einer meiner Männer hatte sie am Nachmittag hinter einem Gebüsch gefunden." "Indirekt erfahren"
"Von der Aggression der Jugendlichen gegen die Polizei habe ich nur indirekt erfahren", erklärte Carlo Di Sarro vom Geheimdienst Digos dem Staatsanwalt. Massimiliano di Bernardini, der Leiter des Einsatzkommandos, gab zu Protokoll: "Dass die Beamten vor der Diaz-Schule mit Steinen beworfen wurden, kann ich nicht direkt bezeugen." Die Protokolle zeigen auch, dass die an der Razzia beteiligten Polizisten Details über die brutale Gewaltanwendung in der Diaz-Schule und der Kaserne von Bolzaneto nur widerwillig und scheibchenweise preisgeben. Jeder schiebt die Verantwortung auf die Vorgesetzten. Das Innenministerium habe "eine medienwirksame und effiziente Operation gefordert", gesteht Präfekt Ansoino Andreassi. Damit habe man den durch die weltweit ausgestrahlten TV-Bilder entstande-nen "Eindruck von Ineffizienz und Passivität" zurechtrücken wollen. Inzwischen setzt die Staatsanwaltschaft von Genua auch ihre Ermittlungen gegen die gewalttätigen Demonstranten fort. Vor zwei Tagen veröffentlichte sie in der Genueser Tageszeitung Il Secolo XIX ein ganzseitiges Inserat mit der Bitte um zweckdienliche Hin-weise. Das Foto zeigt einen Mann und eine Frau, die mit Stöcken auf Polizisten einschlagen.


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