Aus dem heutigen KURIER:
Österreich wegen Paragraphen 209 verurteilt
Brüssel/Straßburg - Österreich ist in einem Rechtsstreit wegen der Anwendung des - mittlerweile abgeschafften - "Homosexuellen-Paragraphen" 209 Strafgesetzbuch vor dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof unterlegen. Der Gerichtshof entschied am Donnerstag einstimmig, dass in drei Fällen Verurteilungen nach Par. 209 StGB einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention und gegen das Recht auf den Schutz der Privatsphäre darstelle.
Schadenersatz
Den Klägern erkannten die Richter in zwei Fällen einstimmig einen Schadenersatz von 15.000 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden zu sowie von 10.633 Euro bzw. 6.500 Euro für Auslagen und Unkosten. Im dritten Fall wurden dem Beschwerdeführer jeweils 5.000 Euro für immateriellen Schaden und Unkosten zugesprochen.
Nachfolgeregelung
Der Par. 209 wurde zwar im Juli 2002 gestrichen und eine Nachfolgeregelung mit geschlechtsneutralen Schutzalter-Bestimmung beschlossen. Der Entscheid der Straßburger Richter bezieht sich aber auch auf die Rechtslage nach der Streichung: Die Richter beanstanden, dass die zuvor verhängten Strafen auch nach der Abschaffung des Par. 209 nicht aufgehoben wurden. Auch der Verfassungsgerichtshof habe die Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention weder anerkannt noch bereinigt.
Ungereimtheit
Verwiesen wird weiter auf die Ungereimtheit, dass in dem umstrittenen Gesetz für Burschen ein anderes Schutzalter als für Mädchen gegolten habe. Während homosexuelle Beziehungen Erwachsener mit jungen Männern zwischen 14 und 18 Jahren strafrechtlich verfolgt wurden, habe dies nicht für Mädchen gegolten, die heterosexuelle oder gleichgeschlechtliche Beziehungen zu Älteren unterhielten. Es stelle sich die Frage, ob dieses unterschiedliche Schutzalter "objektiv und sinnvoll" zu rechtfertigen sei. Für die Richter ist diese - mittlerweile im österreichischen Recht beseitigte - Ungleichbehandlung gleichzustellen mit negativen Vorurteilen gegenüber Personen anderer Religion, Rasse oder Ursprung.
Drei Jahren Bewährung
Der Kläger G.L. war am 8. Februar 1996 vom Wiener Landesgericht für Strafsachen wegen homosexueller Akte mit Minderjährigen zu einem Jahr bedingte Haftstrafe und drei Jahren Bewährung verurteilt worden. Das Gericht berief sich dabei auf den Art. 209, der homosexuelle Handlungen an Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren unter Strafe stellt. Auf Grund von Tagebuchnotizen des Angeklagten sah es das Gericht als erwiesen an, dass er zwischen 1989 und 1994 in Österreich und einigen anderen Ländern homosexuelle Beziehungen mit zahlreichen Minderjährigen unterhalten habe. Die bedingte Haftstrafe wurde in der Folge auf acht Monate reduziert. Allerdings unterlag der Betroffene beim Obersten Gerichtshof mit seiner Beschwerde, die Anwendung von Art. 209 stelle einen Verstoß gegen das Recht auf den Schutz der Privatsphäre und eine Diskriminierung dar. Er hatte auch die Verfassungsmäßigkeit des umstrittenen Paragraphen in Frage gestellt.
Sechs Monaten bedingt
Auch der zweite Beschwerdeführer, A.V., war vom Wiener Landesgericht auf Grund von Art. 209 wegen homosexueller Handlungen an Minderjährigen zu sechs Monaten bedingt und drei Jahren Bewährung verurteilt worden. Eine Berufung blieb erfolglos. Im dritten Fall (S.L.) ging es dagegen darum, dass der Betroffene, der am Land wohnt, seine Homosexualität wegen seiner Umgebung nicht ausleben konnte.
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