DER STANDARD
Montag, 13. Jänner 2003, Seite 4

USA: Schlag gegen Todesstrafe

Mit seiner letzten Amtshandlung als Gouverneur von Illinois hat George Ryan Justizgeschichte geschrieben: Er wandelte 167 Todesurteile in lebenslange Haft um.

Susi Schneider aus New York

Als Begründung gab der scheidende Gouverneur an, das System in Illinois sei "vom Dämon des Irrtums verfolgt" gewesen: "Es ist willkürlich, unberechenbar - und daher unmoralisch." Von Ryans Entscheidung sind 163 Männer und vier Frauen betroffen, die bis jetzt zusammen 2000 Jahre für Morde an 250 Personen abgesessen hatten. Bereits Freitag hatte Ryan vier Männer begnadigt, deren Geständnisse von der Polizei in Chikago angeblich durch Folter erzwungen worden waren.
Vor drei Jahren war der Republikaner Ryan der erste Gouverneur gewesen, der ein Moratorium für die Todesstrafe verfügt hatte, da eine Studie gezeigt hatte, dass 13 Personen in Illinois mit ziemlicher Sicherheit unrechtmäßig zum Tod verurteilt worden waren. Ryan setzte damit ein Zeichen für eine Reihe seiner Gouverneurskollegen: Bis Ende 2002 wurden in den USA 102 Todesurteile aufgehoben - in den meisten Fällen hatte sich die Unschuld der Beschuldigten durch DNA-Analysen erwiesen. Der 68-jährige Exapotheker Ryan meinte in einer Rede, in der er Gandhi und Lincoln zitierte: "Wie viele unrechte Verurteilungen müssen geschehen, bis wir draufkommen, dass das System zerfällt?" Amnesty International begrüßte die Entscheidung Ryans - Ryans Nachfolger als Gouverneur, der Demokrat Rod Blagojevich, verurteilte sie. Blagojevich kann sie jedoch auch nach seinem eigenen Amtsantritt heute, Montag, nicht mehr rückgängig machen. Illinois ist nur einer von 38 Staaten, in denen die Todesstrafe nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1976 wieder eingeführt
wurde; seit damals bleibt es den Staaten überlassen, die Todesstrafe zu verhängen. Nur vier Jahre zuvor hatten die Obersten Richter die Todesstrafe für verfassungswidrig erklärt. Von 1976 bis Ende 2002 wurden 820 Personen in den USA hingerichtet, 71 allein im Vorjahr. Derzeit sitzen 3700 Häftlinge in Todeszellen.


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