Re: In erster Instanz

Es gibt einiges zu unterscheiden. Dass ein Verein den Vorstand von allen Mitgliedern wählen lässt, ist an sich noch nichts Basisdemokratisches, sondern selbstverständlich. Und dass die Mitglieder auch noch bei "wesentlichen Entscheidungen" mitreden, ist an sich noch nicht sonderlich sensationell.

BN > Protokolle darüber zu veröffentlichen und den Arbeitgeber BN > dadurch vorzeitig zu informieren, wäre nicht "fortschrittlich" sondern BN > schlicht dumm.

Wenn es also klar ist, dass Protokolle über bevorstehende Arbeitskämpfe besser nicht an eine große Zahl von Leuten weitergegeben werden sollen, wie erklärt sich dann die Panne, dass solche Informationen doch an falscher Stelle angekommen sind?

Auch Koll. Wallner hat im Zusamenhang mit dem Ferienquiz ausgeführt, dass Lehrer ein berechtigtes Interesse an einem funktionierenden Rechtsschutz haben, die Illusion, dies bei der GÖD zu finden, hält viele Kollegen noch immer dort. Daraus entstand vermutlich die Idee, dass die UBG einen besseren Rechtsschutz braucht.

Doch Rechtsschutz gibt es nur bei Versicherungen einzukaufen. Und leider ist es die Mentalität der ÖsterreicherInnen, dass Versicherungsbetrug - der Statistik zufolge - unser nationaler Lieblingssport ist.

Wenn eine Gewerkschaft es nun für richtig hält, den Rechtsschutz der Mitglieder nicht selber in die Hand zu nehmen, sondern bei einer (vielleicht der bestbietenden?) Versicherung einzukaufen, dann widerspricht das meiner Meinung nach dem Prinzip der Basisdemokratie, nämlich der Vorstellung, dass wir unsere Geschicke in den eigenen Händen halten, und unsere Vertretung nicht von jemand Fremden besorgen lassen.

Es kann auch richtig sein, nicht den umfassendsten Rechtsschutz einzukaufen, sondern "nur" den zweckmäßigsten. Weil damit wäre sichergestellt, dass alle nötigen Prozesse geführt werden können, aber nicht "auf Teufel komm raus" in eine Berauschung am Prozessieren zu verfallen. Vielleicht sogar noch als Alibihandlung, weil anderswo sich die Erfolge nicht so überzeugend einstellen wie erhofft.

Ich bin froh, dass es die UBG gibt, aber leider ist der Verein - aus meiner Beobachtung - zu sehr in sein "U" verfangen. Jedem Gewerkschafter sollte klar sein, dass gewerkschaftliche Arbeit auch mit politischen Zielsetzungen einhergehen muss, in der Politik Bündnispartner braucht. Wenn das "U" dafür stehen soll zu Äquidistanz zu den Parteien, dann nehme ich an, dass der Vorstand den Willen der Basis fehlinterpretiert.

Trotzdem hat die UBG Pionierarbeit geleistet. Wenn ich es richtig beobachte, so ist eine Diskussion über Standesvertretung und Richtungsgewerkschaften in Gang gekommen, zumindest hat dies bei der Demo Ende Mai vorigen Jahres so geklungen.

Wie es weitergeht, wäre auch für Nicht-Mitglieder der UBG interessant, auch wenn damit "rein vereinsmäßig" die Gefahr besteht, dass die UBG zum Geburtshelfer weiterer Richtungsgewerkschaften werden könnte. Das wird die UBG wahrscheinlich intern taktisch beraten, dazu erwarte ich mir auch kein "öffentliches" Protokoll. Danke für den Hinweis auf die Homepage! ;-)

Günter Wittek



-----Ursprüngliche Nachricht-----
From: bnowikow
To: Günter Wittek
Cc: lehrerforum@ccc.at
Sent: Sunday, January 12, 2003 5:23 PM
Subject: Re: In erster Instanz

Der Weg zu Gericht war nicht nur juristisch möglich, sondern auch erfolgreich - herzlichen Glückwunsch an den Vorstand der Unabhängigen Bildungsgewerkschaft!

Koll. Wittek interpretiert "basisdemokratisch" sehr eigenartig. Eine Organisation ist basisdemokratisch, wenn wesentliche Entscheidungen von den Mitgliedern getroffen werden.

Die Unabhängige Bildungsgewerkschaft ist basisdemokratisch, der Vorstand wird von allen Mitgliedern gewählt, wesentliche Entscheidungen werden von allen Mitgliedern getroffen, entweder in der Vollversammlung oder in einer Urabstimmung.

Bei Vorstandssitzungen der UBG wird nicht über den Ort der nächsten Kinderferienaktion oder ähnliches diskutiert, auch nicht, welcher Funktionär die nächste freie DirektorInnenstelle erhält, es werden u.a. Maßnahmen im Arbeitskampf besprochen.

Protokolle darüber zu veröffentlichen und den Arbeitgeber dadurch vorzeitig zu informieren, wäre nicht "fortschrittlich" sondern schlicht dumm.

Gewerkschaftsmitglieder werden nicht nur laufend informiert, sondern sind auch an wesentlichen Entscheidungen beteiligt.

Über den Stand der Diskussion können sich auch Nichtmitglieder jederzeit durch einen Klick auf die homepage www.bildungsgewerkschaft.at informieren.

Barbara Nowikow
UBG-Mitglied



---- Original Message -----
From: "Günter Wittek"
To: "Lehrerforum" ; "Reinhart Sellner"
Sent: Friday, January 10, 2003 10:58 PM
Subject: LF: Re: In erster Instanz


Wenn das nur kein Pyrrhussieg war!

Nach den Ausführungen von Koll. Sellner hat Lorenz hier einen sehr undurchsichtigen, aber vermutlich hintergründigen Zweifronten-Krieg geführt. Der Gang zum Bezirksgericht mag juristisch möglich gewesen sein, politisch war er aber falsch. Den Vorwurf des falschen Zitierens hätte man viel eleganter widerlegen können, nämlich durch Veröffentlichung der richtigen Protokolle. Eine basisdemokratische Bewegung bräuchte es nicht zu scheuen, über den Diskussionsstand Auskunft zu geben. So bleibt an der UBG hängen, dass sich ihr Vorstand typisch kleinbürgerlich verhält. Und damit kann sie wohl wirklich nicht mehr "diffamiert" werden, in einem (grün-) politischen Eck (oder im fortschrittlichen Lager) zu stehen. Eine fortschrittliche Organisatuion ist für mich eine, die die Kollegenschaft einigt und lenkt.

Günter Wittek




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