Das Problem, lieber Koll. Wallner, liegt meines Erachtens anderswo. Die Zwickl´sche Argumentation beruht darauf, dass er behauptet, dass er eine naturwissenschaftliche Ausbildung hat, daher das Beweisen von Behauptungen in seiner Ausbildung hatte, und daher sei er ein besserer Diskussionsteilnehmer, also ein Unfehlbarer!

Dazu muss man halt in Erinnerung rufen, dass wir (ich hoffe es ist eine zulässige Verallgemeinerung) uns immer bemühen, unseren Schülern Wissen (Fähigkeiten und Fertigkeiten) beizubringen, aber das sagt noch nicht etwas Absolutes aus über den Erfolg unserer Bemühungen.

Die naturwissenschaftliche Methode mag wohl auch ihre Vorzüge haben. Aber das ist nicht die einzige Wissenschaft. Wir alle brauchen auch Visionen und Moralvorstellungen, wir brauchen ethische Grundlagen als Fundament all unserer Handlungen. Wenn bspw. Koll. Zwickl in die Debatte über Alkohol und Drogen einsteigt, dann doch nicht rein auf naturwissenschaftlicher Basis. Weil damit wäre die Frage darauf beschränkt, wie viel Liter Bier, Wein etc. ein Mensch braucht, um an das 0,5 Promille-Limit zu kommen. Bei naturwissenschaftlicher Betrachtung ist das Thema Verantwortung an sich nicht Gegenstand der Debatte. Aber ich finde es gut und richtig, wenn wir es zur Debatte stellen. Es ist nur falsch, wenn dann nicht sauber getrennt wird zwischen den Tatsachen und der eigenen Meinung.

Weil diese Methode der unscharfen Trennung offensichtlich weit verbreitet ist, führt dies dazu, dass manche Leute sogar soweit gehen, alles in Frage zu stellen, was sie nicht selber mit eigenen Augen gesehen haben. Oder etwas zynisch gesagt: Manche wollen nicht glauben, dass irgendwo auf der Welt Menschenrechte verletzt werden, dass Regimekritiker auch gefoltert werden, nur weil "amnesty" u.a. es sagen. Diese Leute werden es wohl erst dann glauben, wenn sie es selbst erfahren. Ob Menschen mit so einer Grundeinstellung "heilbar" oder überzeugbar sind? - Ich weiss es nicht.

Koll. Czernitc hat in seinem Beitrag jedenfalls auf ein auffälliges Paradoxon aufmerksam gemacht: Nämlich diejenigen Leute, die heftigst mit dem Vorwurf der Indoktrination arbeiten, sind oft in Wahrheit diejenigen, die unter dem Vorwand der "unabhängigen eigenen Meinung" andere Menschen heftigst indoktrinieren wollen.

Anderseits scheint mir auch klar, dass dieser Vorwurf auf Indoktrination daher kommt, sich selbst n i c h t ein Bild oder eine Vision unserer Gesellschaft erarbeitet zu haben, in dem Bereich "Gesellschafts- und Staatstheorie" sehr schwach sind, und daher so "argumentieren", dass sie bei den Dingen, wo sie nicht mitreden können, gar nicht zu erörtern sind. Die Angst kreiert eine unfehlbare Wahrheit! - Klar, dass dieser Argumentationsstil nur Schwäche darstellt. Diese Schwäche kann wohl nur durch Politisierung überwunden werden.

Günter Wittek



-----Ursprüngliche Nachricht-----
From: Erich Wallner
To: 'Lehrerforum'
Sent: Tuesday, January 14, 2003 9:34 PM
Subject: LF: WG: Eigene Meinung

So einfach sollte man es sich in diesem Forum nicht machen (dürfen), daß man jeden Bledsinn, den man nicht zu argumentieren vermag, einfach unter Verweis auf die persönliche Meinung sozusagen sakrosankt stellt. Wenn z.B. jemand der Ansicht ist, daß der Erdkern aus Marillenmarmelade besteht, dann hat er meines Erachtens nicht das Recht, ein Diskussionsforum mit dieser "Überzeugung" zu behelligen.

Hier würde das "Recht auf eigene Meinung" insoferne mißbraucht, als daß "Meinung" im Sinne dieses Begriffes eine gewisse
(intellektuelle) Qualität voraussetzt (und das heißt z.B.
Quellenangaben) und nicht einfach ein Synonym für "Vorurteil" oder "Spinnerei" darstellt.

Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: Es ist nicht statthaft, einfach zu sagen, die Neger seien alle blöder als die Weißen. Es ist aber sehr wohl statthaft, darauf zu verweisen, daß bei Intelligenztests in den Vereinigten Staaten Schwarze signifikant schlechter abschneiden (übrigens Asiaten besser als Weiße!) - die Diskussion wäre dann über die Modalitäten und Representativität dieser Tests zu führen.

Erich Wallner


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Josef Zwickl [mailto:zwickl@chello.at]
Gesendet: Montag, 13. Januar 2003 19:07
An: Roland Czernitc; Erich Wallner; 'Lehrerforum'
Betreff: Re: Re: Genua

Lieber Kollege Czernitc!
Um die Fundiertheit meines Unterrichtes brauchen Sie sich wirklich keine Sorgen zu machen. Ich bringe in Erinnerung, dass ich von meiner Ausbildung her ein Naturwissenschafter bin und daher zur Beweisfähigkeit meiner Aussagen verpflichtet bin. Sollten Sie selbst Naturwissenschafter sein, wird Ihnen das sicher nicht fremd sein. Zum Thema: Bei Diskussionsbeiträgen im LF wird man wohl noch seine eigene Meinung transportieren können, ohne gleich jeden Paragraphen im Gesetzbuch und jede Quelle angeben zu müssen. Wichtig ist nur, dass man solche Aussagen als persönliche Meinung deklariert. Wenn persönliche Meinungen im LF unerwünscht sind, werde ich mich selbstverständlich daran halten und ebensolche nicht mehr einbringen. Man kann ja auch den Mund halten. Eines ist mir aber schon wichtig: Persönliche Ansichten müssen über die Zeit auch variabel sein können. Wenn ich trotz besseren Wissens bei einer einmal gemachten Aussage bliebe (aus reinem Prinzip) würde bei mir die Schamgrenze erreicht sein. Aber vielleicht sollten Sie bei solchen Anwürfen ein bißchen über Ihre eigene persönliche Schamgrenze nachdenken. Schöne Grüße Josef Zwickl
PS: Die oben gemachten Aussagen entstammen ausschließlich meiner eigenen Phantasie (§3 Absatz 4) und sind weder im ABGB noch in einer wissenschaftlichen Grundsatzliteratur zu finden. Nicht böse sein!

----- Original Message -----
From: Roland Czernitc
To: Josef Zwickl ; Erich Wallner ; 'Lehrerforum'
Sent: Sunday, January 12, 2003 6:10 PM
Subject: Re: Re: Genua

sg. koll. zwickl,

"Ob ich jetzt mit meinen damaligen Äußerungen Recht hatte oder nicht, ist für mich unerheblich. " (ein stellvertretendes zwicklsches zitat)

gibt es für sie eigentlich eine argumentative schamgrenze? bei jedem einzelnen lehrerforumsthema setzen sie sich über wissenschaftliche oder wie diesmal einfach faktische argumente hinweg. ich kann nur hoffen, dass ihr unterricht nicht hauptsächlich von ihrer meinung geprägt ist, sondern sich auf wissenschaftliche erkenntnisse stützt.

roland czernitc




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