DER STANDARD
Freitag, 17. Jänner 2003, Seite 2

SCHULORGANISATIONSREFORM

Die Landesschulräte sind derzeit die wahren Machtzentralen in der Schulpolitik. Diese Räte könnten in die Wüste geschickt werden, wenn es nach den Vorstellungen von Experten geht. Die Bildungsministerin zeigt sich dazu reformbereit, und der Rechnungshof applaudiert.
Die Politik fliegt aus der Schule

Martina Salomon / Conrad Seidl

Ein Bereich, der traditionell den Landesparteien "gehört" und reichlich Gelegenheit zu Intervention und Postenvergabe bietet, könnte völlig reformiert werden: Bildungsministerin Elisabeth Gehrer kann sich vorstellen, die Landesschulräte in einfache Ämter mit Leiter, ohne Präsidenten, Vizepräsidenten und Polit-Gremien umzuwandeln.
Für Direktorenbestellungen gebe es ohnehin Objektivierungsgremien. Und per Verfassung sei eigentlich schon jetzt der jeweilige Landeshauptmann für die Schulpolitik zuständig. Wobei die Bildungsministerin die Länder nicht grundsätzlich entmachten will - im Gegenteil: Sie will ihnen sogar mehr Verantwortung im Pflichtschulbereich geben. Am sinnvollsten wäre, ihnen das jeweilige Pflichtschullehrer-Budget - eingefroren auf dem Letztstand, weil ja die Zahl der Kinder sinkt - zur Selbstverwaltung zu übergeben, sagt sie im STANDARD-Gespräch.

Personalmacht für Direktoren

Derzeit verteilt das Land die Posten, während der Bund zahlt, was trotz aufwändigen Controllings Platz für allerlei Tricksereien lässt. Buhmann in der Personalpolitik ist in jedem Fall das Ministerium. Reformdetails sollten Experten ausarbeiten, meint Gehrer. Einer, der sich darüber seit Jahren Gedanken macht und als Verwaltungsreform-Fachmann von Finanzminister Karl-Heinz Grasser beigezogen wurde, ist Bernd Schilcher, Ex-ÖVP-Politiker, Rechtsprofessor und selbst ehemaliger steirischer Landesschulratspräsident. Er tritt für eine radikale Reform ein: Nicht nur die Landes-, sondern auch die Bezirksschulräte gehören seiner Meinung nach abgeschafft. Lediglich die Bezirksschulinspektoren sollten als Kontrollinstanz bleiben. Die Kollegien - sie wählen beispielsweise die Direktoren und sind aus Eltern-, Lehrer-, Schüler- und sogar Kirchenvertretern zusammengesetzt - wären ersatzlos zu streichen. Der für Schulen zuständige Landesrat würde die politische Verantwortung tragen. Zugleich sollten die Schulen ihr Personal weit gehend selbst auswählen und auch wieder kündigen können, wobei man Willkür verhindern müsse. Dass ein AHS-Lehrer, der sich beispielsweise vorübergehend karenzieren lassen will, einen langen Gang durch die Instanzen (Landesschulrat plus
Bundesministerium) antreten muss, wäre passé, eine Genehmigung des Direktors ausreichend. Derzeit herrsche "riesige Rechtszersplitterung". Eine Direktorenbestellung in einer Bundesschule müsse sogar der Bundespräsident unterzeichnen. Dass die Länder ihr Pflichtschulbudget selbst verwalten sollen, fände Schilcher ebenfalls "sehr gescheit", weil man dann mit dem Geld verantwortungsvoll umgehe. Die Gesamtreform brächte laut Schilcher dreierlei Vorteile: mehr Bürgernähe, Kostenersparnis und sinnvolle Staatsreform. Doch die politische Hürde dafür ist groß. Denn auch wenn die Zweidrittelmehrheit im Nationalrat für Schulreformen weit gehend abgeschafft werden soll: In diesem Bereich wird sie bleiben. Womit die ÖVP die SPÖ als Verbündeten braucht. Und die Länder pochen auf ihre Rechte. Fritz Enzenhofer, amtsführender Präsident des oberösterreichischen Landesschulrats, weiß vom Tauziehen in den Begutachtungsverfahren, wenn die (im Verhältnis des Landtagswahlergebnisses besetzten) Kollegien etwa Lehrpläne begutachten und Wirtschaftsvertreter andere Vorstellungen haben als Pädagogen.
Personalbestellungen dagegen "sind immer kurze Sitzungen, vielleicht zwei-, dreimal im Jahr" - denn die Objektivierungsrichtlinien sorgen dafür, dass kaum ein Spielraum herrscht. Und sie zwingen dazu, die Entscheidungen so zu begründen, dass (für die abgelehnten Bewerber) ein rechtlich haltbarer Bescheid erstellt werden kann. Wie auch die meisten seiner Kollegen sieht Enzenhofer nicht viel
einzusparen: Für 22.000 oberösterreichische Lehrer an 1016 Schulen hat der gesamte Landesschulrat nur 290 Dienstposten - "und irgendwer muss ja die Lohnverrechnung machen, irgendwer muss die Schulaufsicht führen", sagt Enzenhofer. Auch im Ministerium weiß man, dass alle Landesschulräte zusammen nur 1,3 Prozent des Unterrichtsbudgets kosten. Die Abschaffung der politischen Gremien brächte - bei Sitzungsgeldern von rund 20 Euro pro Teilnehmer - somit keine große Einsparung. Bleibt der Präsident als Behördenleiter, der laut Bezügebegrenzungsgesetz 120 Prozent des Bezugs eines Nationalratsabgeordneten bekommt - das sind derzeit 9000 Euro.

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