DER STANDARD
Samstag/Sonntag, 18./19. Jänner 2003, Seite 1
Parteien für politikfreie Schule
Starkes Echo auf Standard-Bericht über mögliche Abschaffung der Landesschulräte
Wien - Alle Parteien sind mit der Abschaffung der Landesschulratspräsidenten sowie der Umwandlung deren (Bundes-)Behörden in schlanke, entpolitisierte Ämter einverstanden. Ein diesbezüglicher Vorschlag von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (VP) im Freitag-STANDARD erzeugte riesiges, vorwiegend positives Echo. Demnach zeigen sich SPÖ und Grüne gesprächsbereit, aber nur, wenn es sich tatsächlich um eine echte Entpolitisierung handle. Vize-SP-Chef Heinz Fischer - "Staatsreformverhandler" seiner Partei - fordert für den Schulbereich "die Schaffung neuer Strukturen, wo Eltern, Schüler und Lehrer vertreten sind". Auch die Grünen wollen mehr Mitspracherecht der Schulpartner - etwa bei Direktorenbestellungen. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider beendete sein wochenlanges Schweigen zu bundespolitischen Themen und reklamierte die Idee der Abschaffung der Landesschulräte für sich. Das sei eine "Uraltforderung der FPÖ", für die er seinerzeit allerdings "heftig kritisiert" wurde. Sogar eine "Betroffene", Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ), will darüber "ohne Scheu" diskutieren.
Doch die sechs von der ÖVP gestellten Präsidenten der Landesschulräte (NÖ, OÖ, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg) sind sehr empört: Eine sinnvolle Verwaltungsvereinfachung sei nur durch eine Stärkung der Landesschulräte möglich, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Befürchtet wird ein Verlust an "qualitätsvollen Dienstleistungen". Auch die Beamtengewerkschaft ist äußerst skeptisch. (mon)
Kommentar E.W.: Dieser Sturm im Wasserglas ist wieder einmal ein herrliches Beispiel für Politik auf Österreichisch:
Am Freitag in der Früh kommt der STANDARD mit der Gehrer'schen Forderung nach Abschaffung der LSR als Tagesthema. Bereits am Freitag nachmittag liest man im ORF-Teletext die Reaktion der sechs schwarzen LSR-Präsidenten: Njet! Am Samstag kann ausgerechnet die rote SSR-Präsidentin Brandsteidl der Sache etwas abgewinnen.
Und die FPÖ hat es eh schon immer gewußt.
Wenn man weiß, wie lange eine Entscheidung in einem LSR normalerweise dauert, dann bleibt einem bei der noch dazu "fächerübergreifenden" Reaktion von gleich sechs LSR in nur einem halben Tag der Mund vor Erstaunen offen stehen. Da muß es ja irre ungenützte Arbeitskraft-Potentiale geben, wenn es auch so schnell gehen kann ...
Auf die strategische Konzeption und Planung Gehrer'scher Reformvorhaben kann sich - angesichts der Reaktion aus den eigenen Reihen - jeder seinen eigenen Reim machen.
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