Diese Debatte scheint mir inhaltlich eine der tragfähigsten in der letzten Zeit in diesem Forum; die Standpunkte werden umfassend dargestellt und jedeR kann sich a) den eignen Horizont erweitern, sich selbst ein Bild machen und da auf die Situation an der eigenen Schule spiegeln.
Ich für meinen Teil denke auch, dass sich sehr viel bewegt hat, dass die Rahmenbedingungen sehr viel erlaubt haben, ABER: nur dort, wo diese Rahmenbedingungen voll ausgenutzt und wirklich von unten her reformiert wurde, ist das tatsächlich auch für jedermannfrau ablesbar.(Nur als Indiz für das Gesamtbild, nicht als tatsächlichen Beweis: An der Schule von Koll. Wittek gibt es einen Schulversuch (Laborunterricht in Physik, Chemie und Biologie im Realgymnasium). Diese Form haben wir auch bei uns eingeführt. Voraussetzung ist allerdings dafür ein tatsächlich innovatives Schulklima mit sehr engagierten Beteiligten.
Ohne jetzt eine "Über-Drüber-Meinung" publizieren zu wollen. Alle Überlegungen zum Reform des Schulwesens, die die GEWERKSCHAFTEN (und ähnliche Institutionen) IN ÖSTERREICH aus den Überlegungen aussparen, gehen schwer an der Realität vorbei. Dazu eine Stellungnahme von mir, die ich vor kurzem im StTANDARD-Forum gepostet habe. Es ging zwar um die Landesschulräte, aber auch um die Zweidrittelmehrheit.
Pro und Kontra:
Pro: Für eine Abschaffung der Gremien der Landes- und Bezirksschulräte kann man sehr wohl sein. Hier zumindest in Vorarlberg haben sie so wenig Wirkung (hauptsächlich, weil keine Aufgaben für sie "übrig" bleiben - wirkliche Stuerung und/oder Kontrolle können sie nicht übernehmen). Leider verwechseln viele diese Gremien mit den Verwaltungseinheiten auf Landes- und
Bezirksebene: diese aufzugeben hieße Verzicht auf sehr wichtige Koordination und Kontrolle. Hier wie überall kann man abschlanken. Eine ausschließliche Verlagerung auf Bundesebene oder auf die Schulen ist in weiten Aufgabenbereichen "tödlich".
Kontra: Die Zweidrittelmehrheit hat uns immerhin davor bewahrt, dass jedeR "Unterrichts-/BildungsministerIn" in den letzten Jahrzehnten "seine/ihre" Reform aufgedrückt hat, wie es in Deutschland gang und gäbe ist: Macht Rot Hü, macht Schwarz nach der nächsten Wahl Hott. (Man denke auch an "schwarze Rohrkrepierer" wie die Ausweitung der Unterrichtsverpflichtung von Busek, den ich sonst sehr schätze) - Dass in Österreich großer Handlungsbedarf besteht und dabei Sysiphos zitiert werden darf, liegt hauptsächlich anfolgendem (meiner Meinung nach):
Übermacht und Reformunwilligkeit der Wiener (ist nun mal so) Gewerkschaftsfunktionäre. Fehlen von geordneten Strukturen bei den "Fachleuten für Schulentwicklung" (da gibt es zu viele Arbeitsgruppen, an Universitäten angegliederte Institute, Berufsvertretung.
Hat jemand gestern Verzetnitsch im Fernsehgespräch gesehen? Wie war der Eindruck?
Norbert Häfele
> -----Ursprüngliche Nachricht-----
> Von: Günter Wittek [SMTP:guenter.wittek@chello.at]
> Gesendet am: Sonntag, 26. Januar 2003 09:59
> An: Lehrerforum; Peter Friebel
> Betreff: LF: Re: 2/3 Mehrheit "enttäuschend"?
>
>
> Peter Friebel schrieb:
> Wir brauchen die 2/3-Mehrheit für Schulgesetze, damit Reformen im
> Schulwesen von einem breiten Konsens in der Gesellschaft getragen
> werden. Für ideologisch motivierte Experimente ist die Bildung unserer
> Kinder zu wichtig.
>
> -------------
>
> Ich meine, dass wenn ein parteiübergreifender Konsens zur Weiter-
> entwicklung unseres Schulwesens vorhanden wäre (und das mag die
> idealistische Vorstellung der Schulpolitiker im Jahre 1962 gewesen
> sein), dann wäre ein solches Modell sogar zielführend.
>
> Nur die Praxis der letzten Jahre sah völlig anders aus. Wenn Koll.
> Friebel nun tatsächlich vieles aufzählt, dann ist der überwiegende
> Teil davon auch aus meiner Sicht richtig (den Bereich Mathe/Physik
> vermag ich aus meiner Sicht nicht beurteilen, dafür fallen mir auch
> einige Flopps ein im geísteswissenschaftlichen Bereich, oder gar das
> Schicksal der einst hochgelobten Sprachlabors, die dann aber häufig zu
> Informatikräumen umgewidmet werden konnten).
>
> Mein Vorwurf lautet, dass die gesamte 2/3-Mentalität dazu geführt hat,
> dass vieles zu spät und nur halbherzig kompromisshaft umgesetzt worden
> ist, dass in der Schulpolitik eigentlich permanent Kindesweg- legung
> betrieben wird und a l l e sagen, dass das eigene Modell in Wahrheit
> anders aussehen würde. Wir haben eine öffentliche Schule, mit der sich
> nur wenige identifizieren wollen und können.
>
> Die Betrachtung von Koll. Friebel ist schon etwas einseitig, wenn man
> weiss, dass die aufgezählten Erfolge, wie die Einführung der Wahl-
> pflichtfächer, in der Argumentation dafür verwendet werden uns
> vorzurechnen, welche Schüler-Lehrer-Quote wir an der AHS haben, und
> dass genau damit jetzt von der Regierung begründet wird, dass deswegen
> die Klassenschülerhöchstzahl hoch bleiben muss ( und da wird selbst
> ein recht erfolgreiches Volksbegehren ignoriert!). Wir haben also
> Verbesserungen auf einer Seite mit einer massiven Verschlechterung
> (Höchstzahl kann auch überschritten werden) "erkauft".
>
> Daher bleibe ich bei der Ansicht, dass es so ist, dass wenn die
> "Verfassungsmehrheit" für die Schulpolitik verantwortlich zeichnet,
> dass sich die jeweilige Regierung immer allzu leicht aus der Verant-
> wortung davonstehlen kann. Das ist nicht in unserem Sinn.
>
> Und ich bin auch überhaupt nicht glücklich über den Weg der letzten
> Jahre, der begonnen hat mit der Einführung der Schulautonomie und mit
> einer unglücklichen Bastelei an Schulprofilen. Das hat doch nur in den
> wenigsten Fällen (ich bitte um Unterstützung bei der Auf- zählung von
> Beispielen, denn meine eigenen wären leicht widerlegbar!) zu einer
> Nutzung von unseren Ressourcen geführt. Nur die Verant- wortung wurde
> verschoben, wir wurden zu unseren eigenen Mängel- verwaltern und zum
> Teil zu Bittstellern, die ausgeschickt sind, um den ganz normalen
> Schulbetrieb zu finanzieren, geschweige denn von irgendwelchen Extras.
> Die Autonomie ist doch ein plumper Trick, um uns das Jammern
> abzugewöhnen und uns vorhalten zu können, dass wir ja selber sagen,
> wie gut wir sind. Dann kann es ja nicht so schlecht sein.
>
> Und schließlich erlaube ich mir doch noch anzumerken, dass der
> Vorschlag diesmal von dem ÖVP-Sondierungsverhandler bzw.
> Regierungsbildungs-Verhandlungsvorbereiter Bartenstein gekommen ist,
> verbunden mit der Aufforderung an die SPÖ, jetzt doch Bereitschaft zu
> zeigen "sich zu bewegen". Mir scheint es nach dem Statement von Koll.
> Friebel eher so, dass Bartenstein wohl eher noch in der eigenen Partei
> Überzeugungsarbeit zu leisten haben wird.
>
> Günter Wittek
>
>
>
> ----- Ursprüngliche Nachricht -----
> From: Peter Friebel
> To: Lehrerforum
> Sent: Saturday, January 25, 2003 10:33 PM
> Subject: Re: LF: Re: 2/3 Mehrheit "enttäuschend"?
>
>
> Liebe Kolleginnen und Kollegen!
>
> Günter Wittek schrieb:
> > Die "Gefahr", dass "unser gutes Bildungssystem zum
> > Experimentierfeld werden darf", ist ohnedies äußerst gering. Wir
> > blicken zurück auf vier Jahrzehnte Stillstand, auf eine permanente
> > "Rien ne vas plus -
> Stimmung".
>
> Ich habe vor 21 Jahren maturiert. Wenn ich den Schulbetrieb damals und
> heute vergleiche, fallen mir viele Veränderungen auf, und zwar sowohl
> strukturelle, als auch inhaltliche.
>
>
>
>
>
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> Diese Liste wird vom Personal Computer Club (http://www.pcc.ac)
> betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein
> e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im
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