1. Zwar wage ich nicht zu behaupten, alles das verstanden zu haben, was Koll. Häfele hier schreibt, aber aus den Punkten 1 und 2 scheint mir eine eigenartige Auffassung von "Gerechtigkeit" hervorzugehen: er fordert anscheinend eine Art Waffengleichheit zwischen Lehrern und Schülern insofern, als der, der sich vermißt, andere zu prüfen, sich dadurch zu legitimieren habe, daß er sich auch selber auf den Prüfstand stellt - so, als ob ein Polizist konsequenterweise seinen Dienst in Handschellen zu versehen habe, weil er diese ja auch seiner Kundschaft anlegt. Na ja ...

2. Auch wenn ich den Punkt 5 des Kollegen Häfele definitiv nicht verstanden habe, so hat er mich dennoch zu einem weiteren Argument in Sachen "Notenschlüssel vorher oder nachher" inspiriert:
Wie allgemein bekannt ist, hat man Matura-Aufgaben ein paar Monate vorher an den LSR einzuschicken, wo sie vom zuständigen Fachinspektor approbiert werden müssen. Bis jetzt ist meines Wissens noch nie ein solcher LSI auf den Gedanken gekommen, gleichzeitig mit den Aufgaben auch einen Notenschlüssel zu verlangen. (Üblich ist es bloß, den bereits korrigierten Arbeiten eine Erläuterung der Korrektur beizulegen, die aber i.d. Regel keine Benotungs-Hinweise enthält.)
Wenn nun nicht einmal bei der schriftlichen Reifeprüfung ein Lehrer seitens der vorgesetzten Dienstbehörde zu einer Bekanntmachung seines Notenschlüssels verhalten wird, dann kann er doch erst recht nicht bei einer nebbichen (Unterstufen-)Schularbeit seitens der Eltern dazu gezwungen werden. (Dies zur Diskussion der Rechtslage im Sinne der Koll. Walkner.)

Erich Wallner




-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: BRG Dornbirn Schoren, Direktion [mailto:brg.schoren.dir@cnv.at]
Gesendet: Montag, 3. Februar 2003 10:04
An: Erich Wallner; 'Lehrerforum (Lehrerforum)'
Betreff: AW: AW: Re: AW: Punkteschlüssel, Notenschlüssel, T ransparenz

Zu 1.: Das REINE "Realismus-Problem" hinsichtlich VORHER/NACHHER haben Sie, Herr Koll. Wallner, genau so dargestellt, wie ich es auch für richtig halte.
Nur: Wenn der Lehrer die Kriterien der Bewertung vorher festlegt, ist er auch in dem Sinne festgelegt, dass auch seine Einschätzung der Realität sozusagen auf dem Prüfstand steht; und eben nicht nur das Leistungsvermögen der SchülerInnen in Bezug auf die Aufgabenstellung. Und nur dann kann man von "Gerechtigkeit" sprechen. Da kommt ja wieder das zum Vorschein, dass mancher Lehrer sich davor scheut "gefesselt zu sein". Übrigens passt das auch zum "Zeus-Haften", das Koll. Forstner nicht deuten konnte: Zeus in seiner Allmacht und Unfehlbarkeit kann keine "Fesseln" vertragen (darum hat die Hera auch so viel Ärger mit ihm, aber das ist eine ganz andere Diskussion). Zu 2.: "A-priori-Werte" s. o.: Nennen wir den Notenschlüssel "veröffentlichte Selbsteinschätzung über die adäquate Stimmigkeit der Aufgabenstellung" Zu 3.: Auch schon in 1. eingeschlossen. Das wird sicher seine Richtigkeit haben, was Sie als Beispiel aus dem E-Unterricht anführen. Es geht einfach um die Schlüssigkeit eines "Systems" über einen längeren Zeitraum,
sprich:
verschiedene Schularbeiten. Es wird, so wie Sie das schildern, zwar etwas kompliziert sein, aber durchaus vorstellbar, trotz der verschiedenen Aufgabenstellungen innerhalb einer E-Schularbeit. Zu 4.: Dieses "System" eines Notenschlüssels wird dem Lehrer helfen, unvermutet nicht "entsprechende Ergebnisse" (= Korrelation von Aufgabenstellung und Schülerleistungen) im Vergleich in einem längeren Zeitraum tiefer zu betrachten. Zu 5.: Österreich ist ein Rechtsstaat. Volkszorn hin oder her. Da ist tatsächlich wieder der Bogen zurück zur Noten-Diskussion geschlagen. Wer so argumentiert, kann nur schwer sich vorstellen, dass man folgende Horror-Frage des Koll. Forstner eines Tages für steinzeitlich erachten
wird:
Ist es bei Ihnen auch üblich oder -- Horror -- verpflichtend, dass bei Klausurarbeiten aus Englisch Notenschlüssel beigelegt werden?

Norbert Häfele



--
Diese Liste wird vom Personal Computer Club (http://www.pcc.ac) betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im Nachrichtentext.