Liebe KollegInnen, habe beim Durchblaettern gemerkt, dass folgendes Mail nicht im LF ankam, daher versuch ich es nochmal: MfG Josef Gary Fuchsbauer
SonntagsRundschau 2..2.2003, Seite 3 (abgetippt und in www.kreidekreis.net gestellt mit freundlicher Genehmigung des Chefredakteurs)
ERZIEHUNG / Bildungsministerin Maij Rask über die Erfolgsgeheimnisse des finnischen Unterrichts, der europaweit der beste ist
"Guter Lehrer liebt die Kinder"
MAIJ RASK ist finnische Bildungsministerin. Sie war gestern zu Gast bei der Landesbildungskonferenz der SPÖ Oberösterreich, um über den Erfolg des finnischen Bildungssystems zu reden. Finnland wurde in der sogenannten PISA-Studie, einem Vergleich der Bildungssysteme, zum Sieger gekürt. Mit ihr sprach Chefredakteur JOSEF ERTL.
Was sind die Geheimnisse des finnischen Bildungssystems?
Das Gesamtschulsystem. Jedes Kind in Finnland hat das Recht auf gleiche Chancen, gleiche Bildung. Bei uns beginnt die Schule mit dem siebenten Lebensjahr. Die Gesamtschule dauert neun Jahre lang. Die Sechsjährigen haben ein Recht auf Vorschulbildung, aber es gibt hier keinen Zwang. Der zweite Erfolgsfaktor ist, dass sowohl die begabten als auch die schwächeren Schüler die Möglichkeit haben, speziell gefördert zu werden. Sie können zusätzlichen, unterstützenden Unterricht erhalten. Der dritte Erfolgsfaktor sind die besonders gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer. Ihre Ausbildung erfolgt in den Universitäten. Es gibt sehr viele Bewerber, aber nur die besten schaffen es, rund 25 Prozent. Den größten Anteil machen die Lehrerinnen aus.
Das heißt, die Frauen sind besser als die Männer.
(lacht) Ja, laut den Ergebnissen der PISA-Studie sind die Mädchen besser als die Buben. Die Gehälter der Lehrkräfte sind schlecht in Finnland.
Trotzdem haben so viele den Wunsch Lehrer zu werden.
Der Beruf genießt eine hohe Wertschätzung. Ich bin auch Lehrerin (lacht). Aber ich habe ein gutes Gehalt. Ein weiterer Grund für den Erfolg: Wir haben engmaschiges Netz an Büchereien und Bibliotheken. In Finnland wird sehr viel gelesen. Wir haben das Bibliothekensystem so erneuert, dass, wenn in einer Familie keine Mittel vorhanden sind, Computer und die dazu notwendigen Geräte zu beschaffen, kann man sie in der Bibliothek kostenlos benutzen. Ich glaube, dass die Kinder bei uns auch deshalb so gut lesen können, weil die Filme im Fernsehen nicht synchronisiert sind, sondern in Originalsprache mit finnischen Untertiteln ausgestrahlt werden. Das heißt, im Western wird Englisch gesprochen und die Kinder müssen die finnischen Untertitel lesen. Gleichzeitig hören sie auch die Originalsprache.
Wie lange dauert die Ausbildung der Lehrer an den Universitäten? Fünf Jahre.
Was muss ein guter Lehrer können?
Ein guter Lehrer liebt die Kinder. Das ist das Wichtigste. Er muss ein gutes Feeling haben für Kommunikation und für Feedback, sodass er merkt, ob das ankommt, was er sagt. Natürlich muss ein guter Lehrer Autorität haben.
Gar manches Mal sind die Lehrer mit den Aufgaben, mit denen sie konfrontiert sind, überfordert. Sie sind oft psychisch überfordert. Die Situation ist in Finnland ähnlich. Auch bei uns sind sie oft überfordert.
Als Ursache für die Überforderung geben die Lehrer an, Eltern und Gesellschaft delegierten Aufgaben an die Schule, wofür sie aber nicht vorgesehen ist. Alles, was Sie sagen, kommt mir bekannt vor. Wir haben aber in der Gesetzgebung versucht, etwas zu tun, dass sich die Situation verbessert. Es gibt Schulpsychologen, einen Kurator, einen Arzt, also verschiedene Möglichkeiten, um Probleme schon im Vorfeld zu lösen. Dadurch wird die Arbeit der Lehrer erleichtert.
Welche Fähigkeiten soll ein Kind, ein Jugendlicher in der Grundschule erlernen? Lesen, Rechnen und Schreiben. Ganz, ganz wichtig finde ich die Muttersprache, weil sie das Fundament ist, auf dem aufgebaut wird. Es ist ganz, ganz wichtig, dass aus den Kindern gute Staatsbürger und glückliche Menschen werden. bei uns wird an den Schulen sehr viel Fremdspracheunterricht gegeben. Finnisch ist so eine selten gesprochene Sprache, dass die Fremdsprachen ganz wichtig sind. Ich habe den Eindruck, dass die finnischen Schüler sehr viel im Internet herumsurfen und dadurch Beziehungen zu anderen Schülern in Europa knüpfen.
Die Grundschule dauert vom siebenten bis zum 16. Lebensjahr. Was kommt danach? 56 Prozent gehen auf ein dreijähriges Gymnasium. 35 Prozent besuchen eine ebenfalls dreijährige Berufsschule. Es gibt auch die Möglichkeit, dass man das Gymnasium mit der Ausbildung in der Berufsschule verbinden kann.
Was können Sie uns in Österreich raten?
Für mich ist es das wichtigste, dass jedes Kind im Land die selben Chancen auf Bildung hat. Um die Lehreraus- und -weiterbildung muss man sich wirklich kümmern. Weiters bedarf es ordentlicher Schulräume und einer ordentlichen Schulausstattung. Und eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern.
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Zwei Söhne, zwei Töchter.
Die 52-jährige finnische Bildungsministerin Maij Rask weiß wirklich wovon sie spricht. Sie selbst begeisterte Lehrerin, verheiratet und Mutter von gleich vier Kindern. Der älteste Sohn ist 25 Jahre und protestantischer Pfarrer. Der zweite Filius studiert Medizin. Zu Hause leben noch die beiden Mädchen mit 15 und 13 Jahren. Seit zwölf Jahren gehört sie dem finnischen Parlament als Abgeordnete an. Seit vier Jahren ist sie auch Ministerin für Bildung und Wissenschaft. Ihre Hobbys sind typisch finnisch: Langlaufen und Eistauchen.
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