Auszüge aus der Rede von Maija Rask.
Linz, Landesbildungskonferenz der
SPÖ-Oberösterreich.
Bildungspolitische Grundrechte müssen auf allen Ebenen der Bildung und Ausbildung verwirklicht werden. Das finnische Bildungswesen stützt sich auf das Prinzip der Chancengleichheit. Das umfasst gleichberechtigten Zugang zu Bildung, gleiche Rahmenbedingungen und Lernmöglichkeiten. Wir stellen zufrieden fest, dass die schulischen Ergebnisse überall in Finnland gut sind. Regionale Unterschiede beim Schulerfolg waren in Finnland geringer als in jedem anderen OECD-Land. Für uns bedeutet dies, dass unsere Entscheidungen in der Bildungspolitik richtig waren.
Wir in Finnland vertreten eine Bildungspolitik, die eine Einteilung der Schulen in gute und weniger gute verhindert, wie auch die Ausgrenzung von SchülerInnen und zu frühe Einstufung. Bildung muss für alle Finnen da sein. Unser Ziel ist es, jene Kinder zu unterstützen, deren Eltern kein Verständnis für den Wert der Bildung und die Vorteile haben, die sich daraus ergeben. Für uns ist es wichtig, dass es nicht zu einer sozialen Kluft aufgrund der Bildungschancen kommt.
Die vielleicht wichtigste - Herausforderung ist die Schaffung günstiger Bedingungen für Unterrichtende wie auch für Lernende. Unser Schulsystem baut auf einer neunjährigen, integrierten Gesamtschule auf. Es herrscht Schulpflicht für alle ständig in Finnland lebenden Kinder, einschließlich ausländ. Staatsbürger. Der Unterricht selbst, das Unterrichtsmaterial und die Schulmahlzeiten sind kostenlos. Weiters haben Schüler Anspruch auf Gratis-Schulbus, wenn die Distanz zu groß ist oder der Schulweg nicht ausreichend sicher. Fast alle Kinder der Altersgruppe beenden die Pflichtschule. Im großen und ganzen werden die Bildungsangebote von der öffentlichen Hand bezahlt. Die Zahl der Privatschulen in Finnland ist gering.
Fast jedes Kind in Finnland geht zur Vorschule. Dabei handelt es sich um geplanten, systematischen Unterricht in einem Hort oder einer Gesamtschule, und zwar im letzten Jahr vor der eigentlichen Schulpflicht.
Derzeit arbeiten wir an außerschulischen Aktivitäten für Schulkinder. Ziel ist es, Gesamtschüler an geführten, sicheren Aktivitäten im Rahmen von Clubs teilhaben zu lassen, und zwar vor oder nach dem Unterricht, je nach Bedarf. Wir wollen allen Kindern die Chance auf sinnvolle und abwechslungsreiche Freizeitgestaltung bieten.
Zur Finanzierung: Der Staat zahlt ca. 57 % der Bildungskosten, der Rest kommt aus den Steuern, die die Gemeinden einheben.
Im internationalen Vergleich bewegt sich der Bildungsaufwand Finnlands als Prozentsatz des BIP um den OECD-Durchschnitt. Wir haben die Ausgaben gegenüber früheren Jahren zwar erhöht, aber auch das BIP ist gewachsen, sodass sich der Durchschnitt wieder bei den OECD-Zahlen einpendelt.
Der Staat entscheidet über die Zuteilung von Unterrichtsstunden zu den verschiedenen Gegenständen. Die Aufteilung der Gegenstände in der Grundschule wurde letztes Jahr geändert, die Zahl der Mindeststunden ist jedoch gleich geblieben. Die Reform hat den Anteil der Wahlfächer reduziert und den Unterricht mehr auf die Kernwissensbereiche konzentriert. Die Schulen können die staatlich festgelegten Mindeststundenzahlen aber überschreiten.
Wir haben die Zahl der Unterrichtsstunden für Finnisch und Literatur, Mathematik, Geschichte und Staatsbürgerkunde erhöht. Ein neues Fach ist Gesundheitserziehung. Finnisch und Mathematik sind die Basis für alle späteren Kenntnisse. Aber auch das Wissen um Gesundheit und gesellschaftliche Zusammenhänge ist wichtig – für den Einzelnen ebenso wie für die Gesellschaft
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Nach unseren Schätzungen sind ungefähr 10 % aller Grundschüler von der Ausgrenzung bedroht. Sie werden nicht ausreichend für das Leben und für eine weiterführende Ausbildung vorbereitet. Als Gegenmaßnahme haben wir Förderunterricht, Integrationsklassen und andere Formen der Unterstützung von Kindern mit besonderem Betreuungsbedarf intensiviert.
Nachdem Lernprobleme bei Kindern oft soziale Ursachen haben, versuchen wir, die geistige und körperliche Gesundheit der Schüler allgemein und ihr soziales Wohlbefinden zu verbessern. Die psychosoziale Betreuung ist ein interdisziplinäres Unterfangen und vereinigt Schulärzte, Psychologen,
Schülerberater- und Betreuer, und natürlich auch die Lehrpersonen. Durch die Zuwendung zusätzlicher Mittel an die Regionen und an die Schulen stellen wir sicher, dass Schulkinder mit Behinderungen u.dgl. nicht zu kurz kommen.
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Es herrscht kein Mangel an guten Kandidaten für die Lehrerausbildung, und nur die besten werden zugelassen. Wir haben beschlossen, dass in Finnland der Master Degree Voraussetzung für jeden Lehrerposten bleiben muss. Die Lehrergehälter sind nicht berauschend, aber dagegen kann das Bildungsministerium nichts tun. Eine wesentliche Aufgabe ist der verstärkte Einsatz von Schulärzten, Psychologen und anderen Fachbetreuern. Die Lehrer müssen in ihrer wichtigen Tätigkeit unbedingt Hilfe und Unterstützung erfahren, und sie müssen auch die Autorität und das Recht haben, die Disziplin aufrecht zu erhalten. Vor kurzem hat das finnische Parlament das Schulunterrichtsgesetz im Sinne größerer disziplinärer Vollmacht der Lehrer abgeändert.
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----- Ursprüngliche Nachricht -----
From: Kreidekreis
To: lehrerforum@ccc.at
Sent: Saturday, February 08, 2003 8:21 PM
Subject: LF: Fw: Interview mit finnischer Bildungsministerin
Liebe KollegInnen, habe beim Durchblaettern gemerkt, dass folgendes Mail nicht im LF ankam, daher versuch ich es nochmal: MfG Josef Gary Fuchsbauer
SonntagsRundschau 2..2.2003, Seite 3 (abgetippt und in www.kreidekreis.net gestellt mit freundlicher Genehmigung des Chefredakteurs)
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