Frankfurter Rundschau 12 02 03

http://www.fr-aktuell.de/ressorts/bildung_und_beruf/bildung/?cnt=123948

SPRACHEN-STUDIE
Sind Schulen bald mit dem Latein am Ende?

Noch immer lernt jeder vierte Gymnasialschüler während seiner Schullaufbahn Latein. Die Wahl der toten Sprache geht meist auf Kosten von Französisch als zweiter Fremdsprache. Lateinunterricht bringt aber längst nicht die Vorteile, die Schulpädagogen allgemein dem Fach zuschreiben.

Untersuchungen der Kognitionspsychologin Elsbeth Stern (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin) und des Psychologen Ludwig Haag (Erziehungswissenschaftliche Fakultät an der Uni Erlangen-Nürnberg) zeigen, dass die hoch gesteckten Erwartungen an das Latein-Lernen ("beflügelt die allgemeine Denkfähigkeit, die mathematische und logische Auffassungsaufgabe, erleichtert die Reflexion von Weltliteratur") nicht erfüllt werden.

Ebenso hält das Forscherteam den Glaubenssatz für "mehr als zweifelhaft", dass es mit fundierten Latein-Kenntnissen besonders leicht falle, eine andere romanische Sprache zu erlernen. Eine neue Studie von Stern und Haag stützt die These, dass Latein als Schulfach keine sehr wirksame Hilfe ist, um sich andere Fremdsprachen anzueignen.

Die Wissenschaftler verglichen Studierende, die einen Spanisch-Lehrgang
besuchten: Diejenigen Teilnehmer, die in der Schule als zweite Fremdsprache Französisch erlernt hatten, schnitten bei Wortschatz- und Grammatikleistungen wesentlich besser ab als jene, die während der Schulzeit Latein als zweite Fremdsprache gewählt hatten.

Stern und Haag ziehen daraus den Schluss, dass es nicht des "Umwegs" über Latein bedürfe, um die untereinander eng verwandten modernen romanischen Sprachen zu erlernen. Latein sei als unabdingbare "Grundlage" gar nicht nötig. Mit anderen Worten: Der Latein zugeschriebene Nutzen ist mangelhaft.

Allerdings schlagen Stern und Haag bei aller Kritik auch versöhnliche Töne
an: Für besonders motivierte, historisch und sprachlich neugierige Schüler sei Latein als freiwillige dritte Fremdsprache sinnvoll. Sie vertrügen hochanspruchsvollen Unterricht. feu

• www.mpib-berlin.mpg.de

www.psycho.ewf.uni-erlangen.de



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