Zu der Skepsis der Kollegen Schoedl, Siehs und Wittek bez. der Sinnhaftigkeit von Sportgymnasien etc.:

Meinen Vorbehalten gegenüber dem Wintersport im allgemeinen habe ich schon einmal Ausdruck verliehen, als ich seine Unfallbilanz mit den Drogentoten verglich. Ich bin weiters - so wie die o.a. geführten Kollegen - auch der Meinung, daß im Spitzensport Leute verheizt werden. Franz Klammer ist allen ein Begriff - kaum jemand kennt aber seinen durch einen Schiunfall gelähmten Bruder (der aber angeblich eine große berufliche Karriere abseits des Sports gemacht haben soll, wie mir jemand erzählt hat). Das ist aber nur die eine Seite der Medaille.

Die zweite Seite der Medaille ist die, und da wird mir nicht jeder beipflichten, daß in einer modernen Gesellschaft jeder das Recht haben soll, auf seine Fasson unglücklich zu werden.

Es ist sehr schwer, einem jungen, tatendurstigen, leistungs- und selbstverleugnungs-bereiten Menschen, der noch dazu nachweislich talentiert ist, das zu verweigern, was er zwangsläufig als seine "Chance" ansehen muß. Sollten ihm z.B. die Eltern - aus wohlverstandenen Bedenken heraus - seine Chance (also diesfalls den Besuch eines
Schigymnasiums) vorenthalten, so würde es mich nicht wundern, wenn er ihnen dies zeitlebens vorhielte.
Es gibt ja auch genug Beispiele und Zeugnisse von künstlerisch begabten Menschen, die von ihren Eltern zum Ergreifen eines "anständigen" Berufes gedrängt wurden und die ein Leben lang glaubten, etwas versäumt zu haben. Wenn nun die Gesellschaft die Rolle der Eltern übernähme und solche Schulen einfach nicht anböte, so sähe das Bild im Prinzip gleich aus.

Sport-Opfer sind leicht zu erkennen, weil eine Verletzung oder gar Verkrüppelung nicht zu übersehen ist. Ich vermute allerdings, daß in einem Sportgymnasium die Aufsicht professioneller ist als z.B. in so manchem Sportverein mit ehrenamtlichen Funktionären und Trainern, und ich würde mich nicht wundern, wenn dort nicht noch viel mehr Jugendliche körperlich - und auch seelisch - verpfuscht würden. Was Letzteres betrifft, so denke ich z.B. an Ballettschulen, von wo ich Geschichten von Psychoterror gehört habe (Zwang zum Dünn-Bleiben, Konkurrenzdenken, Guru-Rolle der Trainerin / des Trainers, elterlicher Ehrgeiz etc.).

Andere Opfer sind schwerer auszumachen: ich denke z.B. an eine sprachlich hochbegabte Schülerin, die ihr Dolmetschstudium sogar erfolgreich abschloß (was den wenigsten gelingt - dort ist die Ausfallsquote am allerhöchsten), und die jetzt feststellt, daß die Konkurrenz so groß ist, daß sie sich mit schlechtbezahlten Gelegenheitsjobs durchschlagen muß. (Im weiteren Sinne ist das Dolmetsch-Studium sicher auch eine Eliteschule.)

Nicht vergessen wollen wir dabei, daß auch das Regelschulwesen seine Opfer fordert. Mich erinnert z.B. die Konjunktur-Blase der Fachhochschulen in den letzten paar Jahren frappant an den Neuen Markt an der Börse. Wenn da nicht in den nächsten Jahren in diversen Speziallehrgängen bloß ein Haufen Arbeitsloser ausgebildet wird ...
Aber der Bürgermeister kann stolz auf seine FH verweisen, und daß er somit quasi einer Universitätsstadt vorsteht (als St. Pöltner weiß ich, wovon ich spreche).

Fazit: Ich bin im Zweifelsfalle dafür, die Frage "Eliteschulen - ja oder nein?" subsidiär zu regeln: Nicht der Staat soll entscheiden, ob sie überhaupt angeboten werden, sondern die Nachfrage seitens der BürgerInnen.

Erich Wallner




-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: guenter schoedl [mailto:gschoedl@aon.at]
Gesendet: Dienstag, 11. Februar 2003 23:01
An: Erich Wallner; 'Ursula Uhlmann'; 'Lehrerforum'
Betreff: Re: AW: finn.bildungsministerin / Begabten-Förderung

Lieber Herr Kollege Wallner!

Zum Gedankenexperiment ( Punkt 4 ihrer Ausführungen):

Wem nützen die Schihauptschulen und Schigymnasien?
Der Persönlichkeit und Bildung des Einzelnen?
Der Fremdenverkehrsindustrie?
Der Zubehörindustrie?
Den alltagfrustrierten kleinbürgerlichen Österreichern die nach Bedeutung lechzen?

Wieviele bleiben auf der Strecke?
Intellektuell?
Körperlich?
Wer kümmert sich um die ?

Für wen?
Fernsehzuschauer die auf spektakuläre Unfälle warten?
Die ihren Patriotismus befriedigen?
Die ihr Selbstwertgefühl auf Kosten anderer heben?

Mit freundlichen Grüßen
Mag. Günter Schödl
2493 Lichtenwörth
Pöttschingerstr. 31
gschoedl@aon.at


>
> 4. Wen die o.a. Argumente nicht überzeugen, den lade ich zu einem
> Gedanken-Experiment ein:
>
> Schaffen wir doch einmal die Schigymnasien und Schi-Hauptschulen ab,
aus
> denen so viele österreichische Wintersport-Talente gekommen sind, und
> schauen wir, was herauskommt, wenn man deren präsumptiven Zöglingen
die
> von Koll. Uhlmann vorgeschlagene "differenzierte Förderung" an ihren
> angestammten Heimatschulen angedeihen läßt ...
>
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