Re: LF: 45 min - Stunden
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Ich habe den Beitrag von Koll. Handler-Kunze als Anregung begriffen, endlich mal über unsere Schulstrukturen nachzudenken.

Wir haben ein System, das mehr behindert als fördert.
Es ist doch oft enttäuschend, wie wenig letztlich herauskommt, obwohl sich vermutlich alle Beteiligten redlich bemühen.

Ein Blick auf das finnische System zeigt doch - und das sollten wir längstens seit der Rede von Maija Rask in Linz wissen - dass auch in unserer Schule der Mensch wieder mehr zählen muss.

Ein aufgestülptes System führt nur dazu, unsere Anpassungsfähigkeit auf die Probe zu stellen.

Die Idee, 45 statt 50 Minuten, wäre nur eine völlig unzureichende Lösung. Die Diskussion hatten wir schon, als Erhard Busek damit hausieren ging. Sie war nur vom Spar(paket)gedanken geboren, es war kein Impuls einer Schulreform damit verknüpft.

Wir brauchen eine neue Lernkultur, eine Ethik des Lernens,
d.h. Rahmenbedingungen, damit das Lernen Freude bereiten kann. 5 Minuten weniger ist zu wenig, die Argumentation, das 50 eigentlich in Wahrheit ohnehin nur 45 sind, ist realitätsnah, aber zugleich auch abenteuerlich (im Hinblick auf die vom Autor selbst angenommenen "grauen Mäuse") es ist fragwürdig, ob das ein Schritt in die richtige Richtung sein kann.

Wenn wir Schulentwicklung diskutieren, ohne apriori an Besitzstände zu denken, sondern einfach mal auflisten, was gut und notwendig wäre, was für eine Wissensgesellschaft unverzichtbar sein soll, dann wird uns so viel einfallen, dass die Sparmeister vermutlich ohnehin "Schluss der Debatte" verordnen werden.

Der Zeitpunkt einer Regierungsbildung ist keine "falsche Zeit" für eine schulpolitische Diskussion. Die gesamte Schulzeit sollte eine sinnvoll genutzte Zeit sein. Auf dem Weg dorthin, dieses Ziel zu erreichen, haben wir noch ein gutes Stück zu bewältigen.

Günter Wittek


----- Ursprüngliche Nachricht -----
From: Peter Friebel
To: Lehrerforum@ccc.at
Sent: Thursday, February 20, 2003 7:08 PM
Subject: Re: LF: 45 min - Stunden


Liebe Kolleginnen und Kollegen!

> Helmut Handler-Kunze schrieb:
>
> In der benachbarten Schweiz sind 45 min Stunden durchaus üblich. Und
> die Koll. verdienen dennoch das Zwei - bis Dreifache. ...

Machen wir uns nichts vor:

Wenn bei uns 45-min-Stunden eingeführt würden, würde man gleichzeitig unsere Lehrverpflichtung um 10% hinaufschnalzen - und zwar ohne dafür unsere Gehälter zu erhöhen (vom Schweizer Niveau gar nicht zu reden).

Dadurch würde unsere Unterrichtszeit zwar gleich bleiben, aber die anderen Tätigkeiten würden entweder gleich bleiben (z.B. Konferenzen, andere administrative Tätigkeiten) oder sogar steigen (Hefte korrigieren, Unterrichtsvorbereitung), weil wir ja dann mehr Klassen unterrichten müssten.

Gleichzeitig würde das bei "optimistischer" Schätzung (also unter der Annahme, dass ein Teil durch Abbau der restlichen Mehrdienstleistungen aufgefangen würde) zur Vernichtung von vielen hundert Dienstposten in der AHS bzw. etlichen tausend Dienstposten in der Pflichtschule führen - ein Ausmaß, das zweifellos nicht durch Pensionierungen allein zu erreichen wäre.

Von der sinnvoll nutzbaren Unterrichtszeit würden deutlich mehr als 10% verloren gehen: Ein paar Minuten brauche ich für den Weg zur Klasse (der in der Realität meistens nicht in der Pause zurückgelegt werden kann, besonders dann nicht, wenn die Pausen wie an meiner Schule meistens nur 5 min dauern; außerdem muss man irgendwann auch noch ein paar Worte mit Kolleginnen und Kollegen wechseln können, z.B. über pädagogische Fragen, die eine gemeinsam unterrichtete Klasse betreffen). Die Ermittlung, welche Schüler fehlen, und deren Eintragung ins Klassenbuch gehen zwar meistens schnell, dürfen aber trotzdem nicht vergessen werden. Dann ist manchmal noch Organisatorisches zu erledigen, insbesondere als Klassenvorstand. Schließlich braucht man auch Aufzeichnungen über die Leistungen, also geht ein Teil der Stunde für "Prüfen" drauf (ich meine natürlich nicht nur "mündliche Prüfungen", sondern Wiederholungen, also "Beobachtung der Mitarbeit" beim "Sichern des Unterrichtsertrages"). Von den weit weniger als 50 min würden dann 5 min weggenommen, also weit mehr als 10%. Eigentlich müsste man dann, wenn das Niveau unserer Maturanten nicht sinken soll, die AHS und die BHS um mindestens ein Jahr verlängern - das kommt aber nicht nur aus finanziellen Gründen (die Lehrer wären zu bezahlen) nicht in Frage, sondern würde auch andere Probleme verursachen.

Wollen wir uns diese Nachteile (mehr Arbeitsbelastung pro Lehrer, arbeitslose Lehrer und weniger Unterricht für die Schüler) wirklich antun? Haben wir es wirklich notwendig, solche Ideen in einem "Lehrerforum" so lange zu diskutieren, bis sie vielleicht jemand aufgreift? Es lesen nämlich nicht nur Lehrer mit. Oder sollten wir nicht eher hoffen, dass eine dumme Äußerung eines Landesrats möglichst rasch in Vergessenheit gerät, dem es offensichtlich nicht um Bildungspolitik (von der er wenig Ahnung haben dürfte) geht, sondern nur darum, dass die armen Kinder in der Früh länger schlafen können (und die Wohnung erst nach ihren berufstätigen Eltern verlassen - wie angenehm das besonders bei kleineren Kindern für die Eltern ist, hat sich der Herr Landesrat wahrscheinlich nicht überlegt). Von unseren Standesvertretern erwarte ich natürlich, dass sie innerhalb der ihnen nahestehenden politischen Parteien Lobbying gegen diesen Unfug machen - aber diplomatisch, nicht laut in der Öffentlichkeit (sonst bekommen wir nur wieder von Unwissenden vorgehalten, dass wir ohnehin einen Halbtagsjob hätten)!

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