-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: owner-lehrerforum@ccc.at [mailto:owner-lehrerforum@ccc.at] Im Auftrag von Gebi Mair
Gesendet: Dienstag, 25. Februar 2003 10:14
An: lehrerforum@ccc.at
Betreff: Re: LF: AW: 1bis5.at

> Koll. Forstner hat bereits einige Einwände formuliert, die sich dem
> Besucher dieser site aufdrängen. Hinzufügen möchte ich noch, daß auch
> eine Benotung mit lauter "1" (in allen 11 Kategorien), wie sie
des
> öfteren vorkommt, unrealistisch ist.

Wie ist das mit SchülerInnen, die in allen Fächern "Sehr Gut" sind?

Kommentar E.W.: Auf den ersten Blick ein berechtigter Einwand. In so einem Fall muß man immer schauen, wo die Analogie überdehnt wird.
Kürzlich hatten wir im LF eine Diskussion über die Bekanntgabe von Notenschlüsseln a priori oder a posteriori - auf jeden Fall gibt es da aber Kriterien, und die lassen es zu, eine Leistung in fünf Stufen zu gliedern. Bei der Lehrerbenotung auf <1bis5.at> gibt es dagegen überhaupt keine Kriterien. Die Validität des ganzen Verfahrens läßt sich höchstens an den dort behaupteten österreichischen Durchschnittswerten ablesen, und da fällt zuallererst auf, daß diese in den 11 Kategorien differieren - was mathematisch aber bei einem validen System gar nicht sein dürfte, welches ja (angeblich) auf ein statistisch signifikantes Sample zurückgreift. Wenn etwa die Durchschnittsnote für Fachkompetenz in "Betriebliche Organisation" 1,6 beträgt und in LÜ 1,96 - soll das etwa heißen, daß die Turnlehrer österreichweit um über 20% inkompetenter sind?
Eine weitere Überlegung wert wäre die Höhe des jeweiligen behaupteten österreichischen Durchschnitts - müßte der bei einer realistischen Benotung nicht jeweils (sehr nahe) bei "3" liegen? Bei <1bis5.at> liegen die sechs persönlichen Eigenschaften zwischen 1,98 = "Freundlichkeit" und 2,23 = "Verständnis". Irgendwie erinnert mich das an die Noten in Religion, die ja auch keiner ernst nimmt, weil die Skala de facto bei "2" aufhört.
Soviel ich weiß, gibt es bei der amtswegigen Lehrerbeurteilung nur drei Stufen: überdurchschnittlich, durchschnittlich und ungenügend (meine Paraphrase). Mir kommt das gar nicht so dumm vor.
Für den Fall, daß obige Überlegungen zu theoretisch erscheinen, ein Beispiel: Im französischen System z.B. gibt es bei den Noten Zwanzigstel, also etwa 6/20 oder 12/20 oder 17/20. Bei einem Punktesystem kein Problem der Umrechnung. Kann sich aber wirklich jemand vorstellen, daß es Sinn macht, wenn der Lehrer X. in der Kategorie "Humor" oder "Gerechtigkeit" 11/20 bekommt, die Lehrerin Y. dagegen 12/20? - Was also in einem System durchaus sinnvoll sein kann, kann in einem anderen Kontext zur Absurdität entarten - also eine überdehnte Analogie.



> Nicht teilen möchte ich seine Besorgnis bez. KollegInnen mit
> befristeten Verträgen, weil es allzu offensichtlich ist, was für ein
> Schmarrn das ganze Unternehmen ist.

Wenn mensch die Sache umlegt auf SchülerInnen-Zeugnisse, kann mensch dann such sagen, dass dieses Unternehmen ebenso ein "Schmarrn" ist? Mensch kann von den InitiatorInnen halten was mensch will, und einige Einwände scheinen mir tatsächlich berechtigt, aber www.1bis5.at zeigt den LehrerInnen zumindest, wie es ist, in der Haut eines Schülers / einer Schülerin zu stecken. Die Reaktionen zeigen ja ganz deutlich, dass ein paar läppische Ziffern nicht nur die Leistung bewerten, wie gerne behauptet wird, sondern, dass diese Ziffern auch ein Angriff auf die gesamte Persönlichkeit sind.

Noten abschaffen? Bin dabei.

Gebi Mair

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Kommentar E.W.: Mit "Schmarrn" war nicht das Unterfangen an sich gemeint. Sonst müßte ich ja auch die Dienstbeurteilung ablehnen, was ich nicht tue. Mit "Schmarrn" waren vielmehr die von Koll. Forstner analysierten Unzulänglichkeiten gemeint. Und daß die BetreiberInnen der site jetzt so rasch den Schwanz eingezogen haben, rechtfertigt den "Schmarrn" noch im Nachhinein.
Daß "ein paar läppische Ziffern ein Angriff auf die gesamte Persönlichkeit sind", mag für Überempfindliche zutreffen. - Ich sehe das anders: Wäre ich auf der Liste gewesen und hätte ich lauter "1" gehabt, dann hätte ich das genauso als "Schmarrn" gewertet: Als Lehrer wirkt man nun einmal nicht auf alle SchülerInnen gleich, und da hätte halt die eine Fraktion zum Computer gegriffen und nicht die andere.

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