Sie machen es sich schon sehr einfach, Koll. Digruber, indem Sie meiner Meinung etwas gegenüberstellen, indem Sie einfach das Gegenteil behaupten.
Mag sein, dass es sehr große regionale Unterschiede gibt. In Ostösterreich ist der Unterschied zwischen Wien und bestimmten Teilen Niederösterreichs einfach gewaltig! Wenn sie mich so interpretieren, dass ich die Verfehlungen eines "schwarzen Schafes" allen zur Last lege, dann ist ihre Deutung schlicht unzutreffend. Aber es ist zutreffend, dass dieser Fall passieren konnte, und hinter dem "schwarzen Schaf" steckt eine organisierte strukturelle Gewalt. Das muss man erkennen. Der Einzelne hat keine Chance dagegen anzukommen, es gibt als persönliche Konsequenz nur die Abmeldung vom RU. Und das finde ich - im Sinne Bert Brechts - eigentlich schade. Ich will nicht "keine" Schule, sondern eine bessere! (ohne Fehler und Tadel). Nur dort, wo es keine Chance auf Veränderung, ja Ver- besserung gibt, dort fordert ein starres System einen Bruch heraus! Und Sie können sich schon noch daran erinnern, dass der Vorschlag "2 Stunden weniger" nicht von mir kam, sondern von der Schüssel-Ministrantin Gehrer? Und Sie erinnern sich, dass Koll. Zwickl "Grabenkämpfe" vorausgesagt hat? - Mir ist eine Debatte um Kürzungen grundlegend zuwider, weil ich der Meinung bin, dass wir mehr Bildung brauchen. Aber in kann nachvollziehen, dass mehr Bildungsqualität nicht unbedingt einhergeht mit immer noch mehr Anwesenheit in den Schulräumlichkeiten. Die Art, wie die Debatte losgetreten wurde, führt zwangsläufig in eine falsche Richtung, weil wir reflexartig nur zu Bewahrern von Besitzständen werden, und dabei gerät jede Reflexion zu kurz, wie unser Bildungssystem zielführend und innovativ weiterentwickelt werden kann.
Selbst wenn es diesen Wandel, den Sie behaupten, gegeben haben soll (ich kann ihn überwiegend nicht nachvollziehen), so bleibt es dennoch eine richtige Forderung, wenn der RU in seiner bisherigen Form abgeschafft wird. Aber lesen Sie im LF-Archiv nach! Ich trete nicht für eine ersatzlose Streichung ein, sondern für eine Umwandlung in eine Art Ethikunterricht, und der soll in der öffentlichen Schule unter öffentlicher Schulaufsicht seinen Platz haben, aber nicht ein RU unter der Aufsicht eines "privatrechtlichen" Vereins, denn im Grunde ist die Kirche nichts anderes! Sie bleiben nicht einmal ihrem eignen Argument treu. Sie sagen zurecht, dass nicht die Wirtschaftskunde von den Industriellen, die Sozialkunde von der Arbeiterkammer in den Schulen vorgetragen werden soll. Aber der Verein "Kirche", der soll natürlich eine Ausnahmestellung haben?
- Meines Erachtens wäre es besser, wir hätten Religionswissenschafter, die in allen Weltreligionen ausgebildet sind und nicht nur die Vermarkter und Werbeträger einer einzigen sein können, weil sie in Abhängigkeit zu ihrem Verein stehen / stehen müssen!
Der Staat hat die Aufgabe, allen Religionsgemeinschaften und moralisch-ethischen wie weltanschaulichen Gemeinschaften (zB.den Rudolf Steiner Schulen) gleiche Bedingungen zu geben, aber nicht eine einzelne aufgrund historischer Bindungen zu bevorzugen. Daher wird es interesssant sein, ob in der kommmende Legislaturperiode die Förderungen und Zuwendungen an Privatschulen transparent und nachvollziehbar stattfinden, oder aber abhängig von den Seilschaften, die ihre Anschieber gut positioniert haben.
G.W.
----- Ursprüngliche Nachricht -----
From: Karl Digruber To: Günter Wittek
Cc: lehrerforum@ccc.at
Subject: LF: GATS und Religionslehrer
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, s.g. Herr Kollege Wittek!
1) Woher stammen die Vorbilder für diese Anschuldigungen an den Religionsunterricht und dieses doch relativ einfache Bilde des Religionslehrers? Ich weiß nur, dass gerade der RU ein sehr moderner Unterricht ist, denn zuallermeist sind es die Religionslehrerinnen und Religionslehrer, die auf die Kinder eingehen müssen, um nicht abzustürzen. Denn mit Druck geht in diesem Fach nichts. Ich weiß auch nicht, woher diese Sicht der Abhängigkeit zur Kirche stammt. Aus eigener Erfahrung wohl nicht. Denn beispielsweise in Tirol sind der Religionsinspektor und die kirchliche Schulbehehörde kein Disziplinierungsinstrument, sondern Berater der Lehrerinnen und Lehrer. Auch das Denken, dass der Katholizismus nur mehr seine Heimstätte in der ÖVP hat, ist schlichtweg veraltet. Gerade die Begegnung zwischen der Sozialdemokratie unter Kreisky und der Kirche unter König hat dieses Bild endgültig aufgebrochen. Die Kirche ist spätestens nach dem zweiten Weltkrieg bzw. nach der Mariazeller Erklärung in keiner Weise parteipolitisch. Natürlich wird es in der Kirche (siehe Ihr Beispiel) als auch in der Sozialdemokratie noch schwarze Schafe und Fanatiker geben, aber die sind doch eher skurril, als dass sie relevant sind.
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