Aus dem heutigen KURIER:
Jung, engagiert, überzählig
Nach drei Semestern bat sie der Institutsvorstand, das Studium abzubrechen. Claudia Pultz war nicht faul oder untalentiert. Der Professor wollte die Latein-Studentin nicht ohne Aussicht auf einen Job ausbilden. Pultz sattelte auf Geografie und Psychologie um; sie rechnete sich mit dieser Fächerkombination bessere Chancen für ihren Traumjob Lehrerin aus.
Auf Informationsveranstaltungen während des Studiums machten die älteren Kollegen den Jungen Hoffnung. Bald komme die große Pensionierungswelle, wurde ihr erzählt, berichtet die mittlerweile 27-jährige Unterrichtspraktikantin.
Erst vor drei Wochen gab es noch einmal die Bekräftigung vom obersten AHS-Lehrervertreter, Helmut Jantschitsch: „Im Herbst bringen wir 87 Prozent der Unterrichtspraktikanten unter.“ – Das war vor der Regierungsbildung und vor der Ankündigung von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, „zur Entlastung der Schüler“ zwei Schulstunden pro Woche zu streichen. Pultz: „Seitdem weiß ich, dass ich maximal eine Lehrverpflichtung über fünf Stunden bekommen werde – und sicher nicht an der Schule, an der ich jetzt arbeite.“ Bezahlung: „Etwa 350 Euro.“
Das Gymnasium Dominikanerinnen in Wien-Hietzing hat 22 Klassen, man wird 44 Stunden streichen. Mit Glück kann die Schulleitung die Kürzungen über Pensionierungen abfedern. Von der Aufnahme junger Lehrer ist keine Rede.
„Wir werden alle bis über 60 arbeiten“, ist Zeichenlehrer Helmut Knaus von der AHS Maroltingergasse überzeugt. Er spricht damit für seine Kollegen, die er im Schulgemeinschaftsausschuss vertritt. Bei Abschlägen in der Höhe von vier Prozentpunkten im Jahr könne es sich „nur die Frau eines Primararztes“ leisten, früher in den Ruhestand zu gehen.
„Treffen wird es die Jungen“, blickt Knaus auf Oliver Müller. Der zweifache Familienvater unterrichtet Geschichte und Geografie an zwei Schulen. Mit Glück hat er eine Karenzvertretung ergattert – und verdient etwas besser als die 755 Euro, die seine Kollegin Pultz für eine halbe Lehrverpflichtung bekommt.
Müllers Aussichten für den Herbst sind aber ebenso düster. Er könnte nicht einmal in ein anderes Bundesland wechseln, ist er doch aus familiären Gründen an Wien gebunden. „Ich hoffe auf Reststunden“, bleibt er optimistisch. Geht es sich für den „Lehrer aus Leidenschaft“ finanziell nicht mehr aus, muss er zurück zu Studentenjobs in Call-Centern, mit denen er sich während seines Studiums über Wasser gehalten hat.
Dass Dietmar Vogt keinen Job im kommenden Schuljahr haben wird, weiß der angehende Biologie-Lehrer bereits seit geraumer Zeit. Die Stunden-Kürzung habe seine Chancen nun auch „mittelfristig verschlechtert“, ist der Kärntner bedrückt. Mindestens ebenso ärgert er sich aus pädagogischen Gründen über die Pläne Gehrers. „Das ist doch verschleierte Budgetpolitik auf Kosten der Lehrer und der Schüler.“
Der Biologe glaubt nicht, dass seine Schützlinge durch zwei Stunden weniger Unterricht in der Woche tatsächlich entlastet würden. Bloß die Qualität der Ausbildung leide wegen des erhöhten Zeitdrucks. Die Kinder würden nur noch auf Inhalte gedrillt, Ziele wie Team-Fähigkeit oder die Konfliktlösungs-Kompetenz blieben auf der Strecke.
Auch Vogt wusste bei Studienbeginn, dass es nicht einfach werden würde. Neben seiner Ausbildung hat er sich daher ein zweites Standbein – die Umweltpädagogik für Vereine und Tourismusregionen – geschaffen.
Für einen lukrativen Job in einem Forschungslabor sei es zu spät, meint der 28-Jährige. Das Lehramtsstudium habe ihn auf theoretisches Wissen festgelegt. „Ich bin wie eine wandelnde CD-ROM.“ Praxis-nahe Fähigkeiten habe die Uni ihm auf seinem Weg nicht mitgegeben.
Am Montag lesen Sie, wie Schüler den Alltag empfinden
Christian Thonke (Kurier Printausgabe)
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