Zwar freue ich mich immer, wenn ich im LF Antworten bekomme, aber noch viel mehr würde ich mich freuen, wenn diese auch auf meine Argumente Bezug nähmen.
Mein 1. Argument hat gelautet: Auch eine Gesamtschule ändert nichts an jenem Bildungsgefälle, welches aus der Wurschtigkeit der Eltern resultiert. Dazu hat Kollege Gritsch leider nichts gesagt.
Mein 2. Argument lautete: Wenn man gute und schlechte Schüler in einen Raum zusammen sperrt und gemeinsam unterrichtet, schließen deshalb die schlechten nicht automatisch zu den guten auf. Anstatt zu erklären, warum hier der gesunde Menschenverstand nicht mehr gelten solle, hat Kollege Gritsch - wie diverse Vorgänger zu diesem Thema - die PISA-Studie hervorgekramt.
Wohlan denn: Vor einiger Zeit habe ich aus einem Interview mit der finnischen Bildungsministerin eine Passage hervorgehoben und im LF gepostet. Da ich mich nicht wiederholen möchte, zitiere ich dieselbe Idee aus einer ganz anderen Quelle, nämlich einem rororo-TB, welches ich gleichzeitig allen Anglistik-KollegInnen ans Herz legen möchte, weil es einfach vergnüglich zu lesen ist und nicht viel kostet: Uwe Kreisel / Pamela Ann Tabbert: Smarte Sprüche USA / Slang und Witz in allen Lebenslagen. Dortselbst Seite 152 (Es geht um Filme im Fernsehen):
"Im Norden Europas [...] wird nur in den Untertiteln übersetzt: Holland, Dänemark, Schweden - um nur einige Länder zu nennen - bieten im Fernsehen viel in Originalfassung. Mit wunderbaren Folgen für die
Volksbildung: In Sachen Fremdsprachen stecken die Kinder des Nordens unsere Schüler locker in den Sack. Selbst lesen könne sie besser: Die über den Bildschirm huschenden Untertitel lesen selbst die Kleineren in einem Tempo, wie es unsere ABC-Schützen erst zwei Grundschulklassen später erreichen."
Wenn finnische Kinder in der PISA-Studie in sprachlichen Belangen vor unseren österreichischen liegen, dann ziehe ich im Lichte des oben Zitierten daraus den Schluß: Wie gut könnten die Talentierten unter ihnen erst sein, wenn sie nicht von der Gesamtschule gebremst würden! Dabei habe ich hier ja nur einen einzigen Unterschied in den Rahmenbedingungen zitiert, in Wirklichkeit gibt es sicher noch viel mehr. Nur auf das Ergebnis zu schauen ist zu wenig!
Kollege Gritsch dekuvriert sich ja selber, wenn er von den "attraktiven Gymnasien" in Deutschland spricht: Dort, wo man den Leuten noch die Wahl läßt, stimmen sie ja eh mit den Füßen ab.
Was die guten österreichischen Land-Hauptschulen betrifft, so ist dieses Argument aus dem einfachen Grund nicht zulässig, weil eine Schule mit Leistungsgruppen (in den Schularbeitsgegenständen) eben gerade keine Gesamtschule ist! Da ist dem Kollegen Gritsch ein Freud'scher Versprecher unterlaufen - ausgerechnet ein leistungsdifferenziertes System, welches den Klassenverband in 3 x 3 = 9 Untergruppen zerreißt, als Argument für die "Gesamt"schule heranzuziehen!
Ein echtes Kriterium wäre ein Vergleich ländlicher Hauptschüler mit AHS-Schülern in den Fächern Geografie, Geschichte, Physik etc.
Kennt jemand einen solchen Vergleich, oder ist er
(wohlweislich?) bisher noch nie unternommen worden?
Können wir uns darauf einigen, daß ein solcher Vergleich eine taugliche Nagelprobe für den Wert der Gesamtschule wäre?
Erich Wallner
P.S.: Wie gut müßten unsere ländlichen Hauptschulen erst sein, wenn man ihnen nicht die elitäre Bürde der Leistungsgruppen auferlegte! ;-)
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Arnold [mailto:arnold.gritsch@vol.at]
Gesendet: Samstag, 8. März 2003 14:55
An: Erich Wallner; 'Lehrerforum'
Betreff: Re: Schule Schuld an Ungleichheit (3)
Sehr geehrter Herr Wallner,
Rate Ihnen zum Studium des ausführlichen Berichts der PISA Studie und der zahlreich erschienenen Interpretationen, woraus sich ohne Zweifel die Schlussfolgerung ziehen lässt, dass jene Staaten mit dem funktionierendem Schul-Modell einer gemeinsamen Schule - zumindest der 6 - 14 -jährigen
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in Kombination mit einem Ganztags-Schulbetrieb in den Ergebnissen auf den ersten Rängen zu finden sind. Die in Deutschland nicht 'funktionerenden' sogenannten Gesamtschulen sind überhaupt kein Maßstab für deren Versagen, sondern die Tatsache, dass es sich um keine echten Gesamtschulen handelt, weil sich in unmittelbarer Entfernung die 'attraktiven Gymnasien' befinden. Echte Gesamtschulen befinden sich z.B. in ländlichen Gebieten mit unmöglichem Zugang zu weit entfernten Gymnasien in Form der Land-Hauptschulen. Wagen Sie zu behaupten ,dass dort die Leistungsergebnisse
schlecht sind, nur weil den Gymnasium reifen Schüler/innen zugemutet
wird,
sich mit leistungsschwächeren in eine Klasse zu sitzen??
Bitte legt doch endlich die ideologische Brille in der Schule ab.
Arnold Gritsch (auch seit vielen Jahren Mitglied der christlichen Lehrervereinigung , was mich nicht daran hindert, anders zu denken als viele ÖVP Sympathisanten unter den KollegInnen)
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