Zwei Dinge sind mir bei der Beobachtung der Religions-Diskussion im LF in den Sinn gekommen:
1. Gehen wir davon aus, daß der RU wegen des Konkordats sakrosankt ist. Gegen den Willen des Vatikans kann man das Konkordat auch nicht aufschnüren.
In Ö wird aber nicht nur katholische Religion unterrichtet, sondern auch in einem halben Dutzend anderen Religionen auf Staatskosten Unterricht erteilt, wo es kein "Konkordat" gibt. Kriterium ist, soviel ich weiß, der Status einer "staatlich anerkannten Religionsgemeinschaft" (für mich eine contradictio in adjecto).
Müßten die Verteidiger des RU im LF nicht eigentlich hier einhaken? Wieso wird z.B. einem Mormonen oder einem Zeugen Jehovas* kein RU finanziert? Wo bleibt hier die Gleichberechtigung der SchülerInnen? Wieso wird einem Kind aus einer Baptisten- oder Mennonitenfamilie im österreichischen Schulsystem etwas vorenthalten, was den Evangelischen gleich in zwei Varianten - AB und HB - angeboten wird? Wo ist der maßgebliche theologische Unterschied zwischen Baptisten, Mennoniten und Lutheranern? Wer maßt sich an, zwischen "guten" und "schlechten" Religionen zu unterscheiden? Die Muslime kriegen ihren Religionsunterricht (er sei ihnen vergönnt - so liberal war schon seine allerchristlichste Majestät Kaiser Franz Josef, zumindestens bei der k.u.k. Armee), aber manche christliche Religionen bekommen keinen?
* Nur zur Erinnerung: Die Zeugen Jehovas hießen früher "Bibelforscher" und wurden in den Nazi-Konzentrationslagern, wohin sie wegen ihres Pazifismus verbracht wurden, als eigene Kategorie geführt. Der pazifistische Katholik Franz Jägerstätter - eine einsame Ausnahme - ist allgemein bekannt und bereits zu Film-Ehren gekommen, von den "Bibelforschern" als kollektiv NS-Verfolgte redet dagegen kein Mensch. Roma und Sinti, Homosexuelle - alle kennt man als Nazi-Opfer, nur die "Bibelforscher" fallen stets unter den Tisch.
2. Thema "Solidarität": Im Ostdeutschland nach der Wende verloren die Lehrer, die Marxismus-Leninismus unterrichteten, entweder ihre Posten, oder sie mußen umlernen. Dasselbe galt für die meisten Russisch-Lehrkräfte in Polen, Deutschland, Tschechien, Ungarn etc. (Es soll sich einmal ein 50-jähriger Anglist überlegen, wie das so wäre, auf die Schnelle Russisch für die Lehramtsprüfung zu lernen!)
Wie beurteilen eigentlich jene LF-Diskussionsteilnehmer, die hier so selbstverständlich Solidarität für die Religionslehrer einfordern, jene Entwicklung?
Mit neugierigen Grüßen
Erich Wallner
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