DER STANDARD
Mittwoch, 12. März 2003, Seite 2
AUFSTAND AN DEN SCHULEN
Kinder arbeiten mehr als Eltern
Bis 60 Wochenstunden, Experten: "Mehr Motivation statt Fakten"
Lisa Nimmervoll
Grundsätzliches habe sich in den letzten Jahren im österreichischen Schulwesen nicht verändert, kritisiert Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien im STANDARD-Gespräch. Dabei wäre es höchst an der Zeit, "sich zu fragen, ob wir nicht die Grundphilosophie unseres Bildungssystems verändern müssen". Spiels Antwort auf diese Frage ist ein klares Ja: "Wir müssen weg vom Faktenwissen, mehr soziale Kompetenzen lehren und lernen und vor allem den Kindern die Motivation vermitteln, dass sie sich auch selbst Wissen erarbeiten können". Nur so seien sie für das notwendige "lebenslange Lernen" gerüstet. Derzeit leiste die Schule das sicher nicht in entsprechender Weise. Die gegenwärtig debattierte Stundenverkürzung für Schüler unterstützen Spiel und ihre Kollegin Petra Wagner nachdrücklich - als eine Maßnahme von mehreren notwendigen, wie sie betonen. Hat doch eine aktuelle Studie der beiden Bildungsexpertinnen gezeigt, dass die Hälfte der Schülerinnen und Schüler mehr als vierzig Stunden pro Woche für die Schule arbeiten, im Extremfall bis zu 60 Stunden. Mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 39,5 Stunden (Angestellte haben eine
38-Stunden-Woche) arbeiten viele Kinder somit länger als ihre Eltern. Analysiert wurde die Arbeitssituation von 456 Jugendlichen in Hauptschulen sowie Unter-und Oberstufen des Gymnasiums. Studienautorin Wagner will die Stundenverkürzung "einbetten in eine Gesamtschulreform" und fordert "flankierende Maßnahmen, auch Unterstützung für die Lehrer". Es sei "notwendig, einmal den Gedanken zu riskieren, grundlegende Dinge zu verändern", plädiert Wagner für radikalere Reformideen: "Macht es Sinn, alle 45 Minuten ein anderes Fach zu unterrichten? Sollte man nicht eher projektorientiert und fächerübergreifend anstatt in Schulfächer zerteilt unterrichten?"
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