Standard 12 03 03

AUFSTAND AN DEN SCHULEN

Noch vor Ostern wird es an den höheren Schulen eine Art Streiktag geben. Lehrer mobilisieren gegen den Regierungsplan, Unterrichtszeit zu kürzen. Schülerentlastung oder Sparmaßnahme? der Standard hörte sich um.

Gestapeltes Wissen kann auch Mist sein

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Martina Salomon
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Noch vor Ostern werden Österreichs AHS- und BHS-Schüler unverhofft einen freien Tag genießen dürfen: Die Lehrerschaft an AHS und BHS ruft zu Dienststellenversammlungen auf - was einem Streiktag recht nahe kommt. Grund ist die von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer letzte Woche ziemlich überraschend angekündigte Reduktion der Pflichtstunden im Ausmaß von einer (in den ersten beiden Volksschulklassen), eineinhalb (AHS-Unterstufe) bis zu zwei Stunden (AHS-Oberstufe und BHS). Freifächer und Zusatzangebote sollen aber erhalten bleiben. Dienstrechtliche Änderungen, sprich Mehrarbeit für die Pädagogen, gibt es nicht, doch für Lehramtsabsolventen wird die Jobsuche schwerer, weil Abgänge durch Pensionierungen häufig nicht nachbesetzt werden dürften.

Schon ab Herbst sollen die ersten Stundenreduktionen erfolgen - am besten schulautonom, wie es sich die Ministerin wünscht (siehe Interview). Damit könnten die Schulen eine von den Eltern gewünschte Fünftagewoche leichter umsetzen, hatte Gehrer bei der Vorstellung ihres Plans argumentiert.

Studien - unter anderem eine OECD-Statistik - haben Österreich eine Spitzenbelastung der Schüler bescheinigt, aber eine vergleichsweise niedrige durchschnittliche Anwesenheit der Pädagogen im Klassenzimmer.

Sturm an AHS und BHS

Für die Lehrerschaft an den höheren Schulen ist die Reform aber eine lupenreine Sparmaßnahme. Sie mobilisiert (auch im Klassenzimmer) gegen den Plan. Schuldirektoren sind erbost über die überfallsartige Änderung.

AHS-Lehrergewerkschafter Helmut Jantschitsch: "Wenn es wirklich ein Anliegen der ÖVP gewesen wäre, die Schüler zu entlasten, dann hätte man das schon im Wahlkampf gesagt. Und jetzt bricht plötzlich die pädagogische Erkenntnis über die Regierung herein? Das ist einer großen Partei wie der ÖVP unwürdig!" Ginge es wirklich um Pädagogik, dann müsste man die gestrichenen Stunden in Förderstunden für Schwache und "Forderstunden" für besonders Begabte umwidmen, sagt der Christgewerkschafter.

Beunruhigt zeigen sich auch Elternvertreter: "Wie soll an einer Schule in Ruhe und im besten Sinn für unsere Kinder gearbeitet werden, wenn vonseiten des Ministeriums ständig diese große Verunsicherung hineingetragen wird", heißt es in einem an das Bildungsministerium adressierten Brief des Verbands der Elternvereine an den höheren und mittleren Schulen.

Ruhe an Pflichtschulen

Überhaupt keine Aufregung herrscht hingegen an den Pflichtschulen, die ja ebenfalls von Stundenkürzungen betroffen sind. "Wir haben eine andere Befindlichkeit", erklärt Gewerkschafter Walter Riegler den Unterschied. Für die den Ländern obliegende Einstellung von Pflichtschullehrern gilt nämlich ein Lehrer-Schüler-Schlüssel, der kontinuierlich von derzeit 9,6 Kindern pro Lehrer auf 10:1 im nächsten Jahr erhöht wird. Dadurch wären - so Riegler - kleine Dorfschulen vom Zusperren gefährdet gewesen, die Klassenschülerzahl hätte in manchen Schulen erhöht und eventuell das Lehrangebot reduziert werden müssen. Durch die Stundenreduktion könne dies nun abgewendet werden. Doch Abgänge werden wohl ebenfalls nur spärlich nachbesetzt.

Viel problematischer empfindet Riegler jedoch die Debatte über einen späteren Pensionsantritt: Das werde dem Ministerium, das ohnehin unter den Biennalsprüngen der Lehrereinkommen stöhnt, auf den Kopf fallen, weil die teuerste Lehrergruppe länger in Beschäftigung bleibe. Kommentar der anderen S. 27





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