Standard 12 03 03
AUFSTAND AN DEN SCHULEN
"Opposition müsste applaudieren"
Bildungsministerin Elisabeth Gehrer findet den Lehrerwiderstand gegen die Stundenreduktion "traurig". Dass damit auch ein Spareffekt erzielt wird, bestreitet Gehrer im Gespräch mit Martina Salomon nicht.
Standard: Lehrervertreter zweifeln die OECD-Statistik massiv an, wonach Österreichs Schüler Spitzenreiter bei der Unterrichtsstundenbelastung sind. Stimmen die Zahlen?
Gehrer: Wir werden die Zahlen natürlich hinterfragen. Aber in der Grundtendenz stimmt die Statistik.
STANDARD: Argumentiert wird zum Beispiel, dass Österreich mehr Feiertage als andere Länder hat und dass man außerdem die Religionsstunden nicht dazuzählen darf, weil das andere auch nicht tun.
Gehrer: Religion wird in den anderen Ländern auch eingerechnet - gerade in Finnland. Die skandinavischen Länder haben sogar längere Sommerferien. Wir tun jetzt etwas zur Schülerentlastung.
STANDARD: Warum hat man das dann nicht gleichzeitig mit der kürzlich beschlossenen AHS-Oberstufenreform gemacht?
Gehrer: Es war sicher ein Fehler, dass wir im Herbst nicht gleich die zwei Stunden in der AHS gekürzt haben. Derzeit sind die BHS-Lehrpläne in Ausarbeitung. Da wird es gleich gemacht. Wenn alle Studien sagen, dass die Schüler bei uns zu viele Unterrichtsstunden haben und das heimische Schulwesen in Summe zu teuer ist, dann muss ich als Politikerin reagieren. Ich nehme nichts von den Förderstunden oder von den Zusatzangeboten weg. Aber es werden die Kernstunden um zwei Stunden reduziert. Das können die Schulen in der Autonomie selbst vornehmen.
STANDARD: Die Lehrer wollen das aber im Schulgemeinschaftsausschuss boykottieren. Müssen Sie die Kürzung jetzt zentral verordnen?
Gehrer: Ich finde es traurig, dass Lehrer eine vernünftige Entlastungsmöglichkeit für die Schüler boykottieren wollen, anstatt sich zu überlegen, wie das umsetzbar ist. Autonomie heißt eben auch, Schwerpunkte auszudiskutieren. Okay, wenn das nicht geschieht, werden wir eine Stundentafel vorgeben - so einfach ist die Welt.
STANDARD: Gibt's dafür nicht mächtigen Zeitdruck, wenn das schon im Herbst in Kraft treten soll? Demnächst müssen ja die Stellenpläne der Schulen veröffentlicht werden.
Gehrer: Sehr viele Nachbesetzungen werden nicht notwendig sein. Es muss mit den vorhandenen Strukturen das Auslangen gefunden werden. Die Reform wird aus Rücksicht auf die Lehrerbeschäftigung gleitend eingeführt - Vollausbau im Herbst 2004.
STANDARD: Es gibt Vorgaben des Finanzministers an alle Ministerien, eisern zu sparen. Das nährt den Verdacht, dass Ihre Reform ein reines Sparpaket ist und nichts mit echter Schulreform zu tun hat.
Gehrer: Wenn seit Jahren von allen Seiten eine Entlastung der Schüler gefordert wird - und wenn ich dann zusätzlich den Effekt erziele, dass mir die Personalkosten nicht davonrennen, dann ist es ja nicht verboten, mit den Steuergeldern sorgsam umzugehen. Die Opposition hat mir vorgeworfen, dass wir das teuerste Schulwesen mit einem nur mittleren Output haben. Eigentlich müsste ja jetzt jeder Beifall klatschen.
STANDARD: Welche Fächer wird es treffen?
Gehrer: Das werde ich den Experten überlassen. Wenn aber eine Schule unsere Vorgaben nicht will, kann sie es in der Autonomie anders machen.
STANDARD: Manche Experten meinen aber auch, dass in Österreich sowohl ein Ganztags-als auch ein Gesamtschulsystem besser wäre - zum Beispiel für die Chancengleichheit.
Gehrer: Wir haben eine gute Systematik, die wir weiterentwickeln werden. Man soll mit der Organisationsdiskussion aufhören und mit der inhaltlichen Diskussion beginnen - das ist mein Aufruf. Ich werde eine Zukunftskommission mit dem Titel "Schule neu denken" einsetzen. Das Erste, was jetzt fertig gestellt werden muss, sind Leistungsstandards. Die Schulen sind herausgefordert, ein Grundlagenwissen zu vermitteln, das später abrufbar ist, und nicht ein Detailwissen über jede Kleinigkeit, mit dem man nur Schüler quält.
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