Es kann doch nicht wahr sein, dass jahrzehntelang von Politikern, Journalisten und Schülervertretern immer wieder die gleichen Phrasen gedroschen werden, wenn es um die angeblich so dringend notwendige Reform der österreichischen Schule geht -- so als ob stichhaltige Gegenargumente nie publiziert worden wären. Die Beiträge in den aktuellen Wochenendausgaben von STANDARD und PRESSE lesen sich gerade so, als ob sie vor 20 Jahren oder noch früher erstmals erschienen wären:

(1) SPÖ-Chef Gusenbauer will Chancengleichheit für Kinder

--> Ja wer will denn die heute NICHT? Leben wir in den
--> Sechzigerjahrendes
vergangenen Jahrhunderts?

(2) Alfred Gusenbauer im STANDARD-Gespräch. Seine Vorstellung: Fünftagewoche von halb neun bis ungefähr halb fünf Uhr, mit Betreuungsmöglichkeit in der Früh. Im Idealfall sollten Kinder danach nichts mehr lernen müssen. "Eine moderne Schule heißt aber auch, dass der Arbeitsplatz des Lehrers ganztags an der Schule ist."

--> Von mir aus, Herr Gusenbauer, von mir aus. Veranlassen Sie ENDLICH,
--> dass
die Schulen adäquat ausgestattet werden. So eine Ausstattung inkludiert Freizeiträume für GanztagsschülerInnen, Speisesäle, Küchen etc. genau so wie Arbeitszimmer (samt eigenem PC mit Internetanschluss und Telefon) für jeden Lehrer/jede Lehrerin. Sie können doch nicht erwarten, dass wir täglich bis halb fünf oder noch länger in der Schule bleiben und DANACH, zu Hause, zu arbeiten beginnen. Wenn all das flächendeckend vorhanden ist und sich niemand mehr zu Hause ein Arbeitszimmer einrichten muss, DANN machen Sie wieder Ihren Vorschlag!

(3) Als Initialzündung schlägt der SP-Chef eine parlamentarische Enquete vor, wo auf breiter Ebene die Ergebnisse der OECD-Vergleichsstudie Pisa diskutiert werden sollen.

--> Wer kann mir erklären, warum dieser einen Studie eine derart
--> universelle
Bedeutung beigemessen wird? Wie viele österreichische LehrerInnen, die eine volle Lehrverpflichtung unterrichten, werden bei dieser Enquete dabei sein?

(4) Erich Witzmann in der PRESSE: Jener (nun schon im Ruhestand befindliche) Ministerialrat, der das Datenmaterial bereitgestellt hat, soll "vergessen" haben, die österreichische 50-Minuten-Unterrichtsstunde auf die für die Vergleichsstudie vorgeschriebenen 60 Minuten umzurechnen. Das sei immerhin eine Abweichung von 16,6 Prozent. Deswegen liege Österreich an der Spitze der Unterrichtsbelastung.

--> Wieso unterstellt Witzmann hier kühn, Unterricht sei grundsätzlich
--> eine
"Belastung"? Genauso gut -- nein, viel eher -- müsste man Unterricht als Lernchance auffassen.

(5) Die AHS-Lehrergewerkschaft will demnächst auf ihre Art und Weise eine Stundenverkürzung durchführen: Noch vor Ostern soll ein Unterrichtstag in einen Diskussionstag umfunktioniert werden.

--> Na gut, ich habe mich schon damit abgefunden, dass sich die PRESSE
--> auf
das Niveau des Boulevards begeben hat -- das war damals, als sie während des Boykotts von Schulveranstaltungen, angeblich irgend einen anonym bleiben wollenden Hüttenwirt zitierend, von den alkoholisierten Lehrern auf Schikursen berichtete. "... will die AHS-Lehrergewerkschaft demnächst auf ihre Art und Weise eine Stundenverkürzung durchführen ... " -- nein, er kann es sich nicht verkneifen, die Lehrerschaft als arbeitsunwillig hinzustellen.

(6) Claudia Haas, gesamtösterreichische Schulsprecherin, zeigt sich über die kategorische Ablehnung der Stundenreduktion durch die AHS-Lehrer "betroffen". Handlungsbedarf ortet auch Claudia Haas: "Der Lehrplan sollte schon längst entrümpelt werden, und verpflichtende Lehrerfortbildung gibt es nach wie vor nicht."

--> Liebe Frau Haas, wir unterrichten nicht Gerümpel. Dafür ist uns
--> unsere
Zeit zu schade. Wir sind auch nicht von vorgestern, wissen daher, was heute in der Welt passiert und geben dieses Wissen auch an unsere SchülerInnen weiter. Sie besuchen doch selber den Unterricht -- wird Ihnen da nur veraltetes Zeug geboten? Und bitte bitte machen Sie Ihren gesamten Einfluss geltend, damit wir in Zukunft eine adäquate Lehrerfortbildung überhaupt angeboten bekommen. Dann bilden wir uns auch freiwillig in den von Ihnen vage angesprochenen Kursen weiter.

Der einzige Uralt-Vorwurf, der -- wird wohl ein Versehen gewesen sein -- in diesen beiden Artikeln nicht vorkommt, ist der von der fehlenden pädagogischen Ausbildung der AHS-LehrerInnen. Na wird schon noch kommen.

K Forstner




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