Ich finde, dieser Artikel sollte zur Pflichtlektüre gemacht werden, bevor wieder einmal Wahlen zur Standesvertretung anstehen!

Erich Wallner





-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: owner-lehrerforum@ccc.at [mailto:owner-lehrerforum@ccc.at] Im Auftrag von Timo Davogg
Gesendet: Sonntag, 16. März 2003 22:36
An: Lehrerforum
Betreff: LF: Hoppauf, Liesl!

http://www.diepresse.com/default.asp?channel=m&ressort=mk&id=342889

Hoppauf, Liesl!

VON KURT SCHOLZ

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Der große österreichische National ökonom Joseph Schumpeter hat einmal gesagt, Ideen seien immer Kinder der Not. Dieser Satz fällt einem unwillkürlich zu Elisabeth Gehrers Absicht ein, den Kindern zwei Stunden Unterricht pro Woche zu erlassen. Denn spürbar war, für mich zumindest,
zweierlei: Die Ministerin muss sparen. Aber ihr sind die Kinder nicht egal. Im Zweifelsfall mag sie die Kleinen, die mit den schweren Schultaschen und der 50-Stunden-Woche. Sie will ihnen, wenn auch aus Budgetnöten, etwas Gutes tun. Vielleicht wollte sie einmal Kinder-Ministerin und nicht Lehrer-Ministerin sein - und zwar konkret.

Mehr hat sie nicht gebraucht.

Die wackere Dame am Minoritenplatz wird derzeit mit Protesten zugedeckt. Besonders liebevoll gehen dabei ausgerechnet ihre Parteifreunde ans Werk
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mit Streikdrohungen, Dienststellen-Versammlungen (selbstverständlich in der bezahlten Unterrichtszeit) und unerträglichen Informationskampagnen: Die sollen Kinder und Eltern in das Boot der Lehrergewerkschafter ziehen. Und immer muss dabei die Zahlenakrobatik der Lehrervertreter aufrüttelnder wirken als die einfache Tatsache, dass unsere Kinder - zumindest in den Höheren Schulen - fast doppelt so viele Unterrichtsstunden in der Schule verbringen wie ihre Professorinnen und Professoren.

Wir Erwachsenen haben im letzten Jahrhundert unsere Wochenarbeitszeit verkürzt. Im selben Zeitraum ist die Arbeitszeit der Schüler dramatisch gestiegen. Wir Erwachsene klagen darüber, dass wir nur mehr für den Beruf leben. Gleichzeitig stört es uns aber nicht, dass die Schule mehr und mehr das Leben der Kinder frisst. Müssten wir nicht längst ein Stück Freiheit unserer Kinder von der Institution Schule zurückholen?

Natürlich ist die Idee der Bildungsministerin kein Akt reiner Nächstenliebe. Und selbstverständlich sind Niveauängste berechtigt. Aber garantieren wir das Niveau der Schulen denn wirklich durch möglichst viele Unterrichtsstunden - und nicht etwa einen möglichst guten Unterricht?

Rühren wir doch gleich an das nächste Tabu: Wären nicht gerade Einsparungen eine Gelegenheit, sich von einzelnen und gottlob: wenigen Pädagogen, die diese Bezeichnung längst nicht mehr verdienen, zu verabschieden? Ein ungeeigneter Lehrer hat vor Kindern nichts zu suchen - und umgekehrt: Ein Team begeisterter Lehrerinnen und Lehrer, und die gibt es wahrlich, wird auch dann erfolgreich sein, wenn die Kinder zwei Mal fünfzig Minuten weniger in der Klasse sitzen. Zwei Wochenstunden weniger für die Kinder und ein paar Stunden weniger für den ungeeignetsten Pädagogen pro Höherer Schule - wäre das nicht ein faires Abkommen?

Joseph Schumpeter aber, kehren wir zu ihm zurück, ist auch einmal der Bedeutung des Begriffs "Demokratie" auf den Grund gegangen. Demokratie heiße, so meinte er, wörtlich zwar Volksherrschaft. Doch als Realist komme er zu dem skeptischen Nachsatz: Das Volk herrscht in Wirklichkeit nie; es kann aber durch Definition jederzeit dazu gebracht werden. In der Schule ist's ähnlich. Auch hier gibt es die landläufige Meinung, wonach das Kind im Mittelpunkt stehe. Und die Realität? Variieren wir doch den großen
Schumpeter: In Wirklichkeit steht das Kind selten im Mittelpunkt - es kann nur durch Definition jederzeit dorthin gebracht werden. Die Bildungsministerin hat das versucht. Ich finde das sympathisch.






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