Wien, 27. März 2003

Dieses Schreiben ist eine Darstellung der Geschehnisse innerhalb zweier Tage aus der Sicht eines Gewerkschaftsvertreters: „Aktionstag“ – die richtige gewerkschaftliche Antwort auf den Bildungsabbau

Die Pläne von Ministerin Gehrer, die Unterrichtsstunden um zwei Wochenstunden zu kürzen, sind auf breite Ablehnung der Betroffenen gestoßen. So haben sich außer der Gewerkschaft auch der Verband der Elternvereine an den höheren und mittleren Schulen sowie die Vertreter der AHS-Direktorinnen und Direktoren und viele andere Organisationen deutlich dagegen ausgesprochen. Die Bundessektionsleitung der Gewerkschaft AHS hat bezüglich des Vorhabens des Ministeriums – aber auch darüber hinaus – folgende Beschlüsse gefasst: Abhaltung eines österreichweiten Aktionstages am 9. April 2003 und „Sollten diese Maßnahmen zu keinem Erfolg führen, wird die Bundessektion ermächtigt, weitere Schritte bis hin zum Streik zu setzen.“ Des weiteren liegt folgender Beschluss vor: „ Für den Fall von dienst- und besoldungsmäßigen Verschlechterungen wird die Bundessektion ermächtigt, gewerkschaftliche Konsequenzen bis hin zum unbefristeten Streik zu ergreifen.“ Ich halte diese „breite Front“ gegen die geplanten bildungspolitische Verschlechterungen in unserem Land für einen bedeutsamen Fortschritt im Bewusstsein aller davon Betroffenen. Man muss unserer Gewerkschaftsbewegung zugute halten, dass sie gerade diese sich bietende neue Front richtig erkannt hat und daher mit dem „Aktionstag“ der Schulpartner einen ersten Schritt der gemeinsamen Ablehnung der beabsichtigten Qualitätsminderung im Bildungswesen gesetzt hat. Es war taktisch klug, zunächst durch diesen „Aktionstag“ die berechtigte Kritik aller Schulpartner zu bündeln, um dann – im Falle des Beharrens der Regierung auf diese Stundenreduktion – eine breite Form der Ablehnung sowie die Unterstützung eines Streiks durch die Schulpartner zu erhalten. Gleichzeitig damit hat unsere Interessensvertretung in einer Sitzung der erweiterten BSL auch klargestellt, dass sie beabsichtigt, weitere Schritte bis hin zum Streik zu setzen, sollte die Maßnahme des Aktionstages nicht den erwünschten Erfolg zeigen. Diese stärksten Formen des Arbeitskampfes gelten auch – wie schon erwähnt – für den Fall von „dienst- und besoldungsmäßigen Verschlechterungen“. So weit, so gut. Das sind also Beschlüsse der Interessensvertretung der Mehrheit aller AHS-Lehrerinnen und Lehrer in Österreich. Und es sind, bei aller Kritik, die man ab und zu gegen diese Interessensvertretung vorbringen kann, gute, überlegte, taktisch richtige Beschlüsse. Doch was ist mit der BHS, was mit der Gewerkschaft der Pflichtschullehrer? Dies entzieht sich derzeit noch meiner Kenntnis, aber es passt in das jämmerliche Bild einer Interessensvertretung, welches diese beiden Sektionen auch schon in den letzten Jahren abgegeben haben. Auch in der Frage, wie die einzelnen Schulen „ihren Aktionstag“ gestalten wollen, gibt es seitens der Gewerkschaft zwar Empfehlungen, aber keine Vorschriften. Das hat – je nachdem, wie man es sehen will, sowohl Vor- als auch Nachteile für die einzelnen Schulen. Aber in der derzeitigen Phase der Diskussion dürfte auch das die richtige Entscheidung sein. Es spricht also aus meiner Sicht im Moment nichts dagegen sich an die Vorgaben und Beschlüsse der Gewerkschaft zu halten, denn es kann in der derzeitigen Situation nur darum gehen, geschlossen gegen den beabsichtigen Bildungsabbau dieser Regierung aufzutreten, und das bedeutet: gemeinsame Aktionen zu machen. Wenn nicht gemeinsam mit der Gewerkschaft, dann doch wenigstens gemeinsam mit möglichst vielen anderen (aber doch bitte nicht jeder und jede Organisation für sich!).Das Ziel muss sein, die berechtigten Forderungen der Gewerkschaft zu unterstützen. Die Zeit für Gewerkschaftskritiker und für „neue Gewerkschaftsbewegungen“ ist das sicher nicht, denn wer könnte im Moment unserer Interessensvertretung einen schwerwiegenden Fehler nachweisen.
Sammeln wir also unsere Kräfte für den Tag X, der diesmal – aus meiner Sicht – am Tag nach den Osterferien beginnt. Sollte dann ein Streik notwendig sein, dann will ich der Erste sein, der mithilft, ihn zu organisieren.
Wien, 28. März 2003
Die Fortsetzung einer defensiven ArbeitnehmerInnenvertretung

Soweit meine Einschätzung der Situation am 27.3., noch vor unserer Dienststellenversammlung, bei der ich auch zahlreiche Kritiker des Gewerkschaftskurses davon zu überzeugen versuchte, dass dies diesmal der richtige Weg, die richtige Taktik sei. Ich habe mich getäuscht, nicht darin, dass die Idee des Aktionstages eine kluge war, wohl aber darin, dass die Vorgangsweise der Verantwortlichen („Zustimmung sei signalisiert worden“) zumindest eine sehr naive war. Und wohl auch darin, dass ich allen Ernstes geglaubt habe, dass es der GÖD – nach allen Misserfolgen und Demütigungen, die sie als Interessensvertretung in den letzten Jahren erleben musste – nun doch Ernst ist, die Herausforderung der Regierung anzunehmen und dieser etwas Effizientes entgegenzusetzen. Leider überschlugen sich dann die Ereignisse und in einem (wohl allseits bekannten) Schreiben des Kollegen Quinn – auf eine offizielle Stellungnahme der Gewerkschaft AHS ist noch zu hoffen – teilte dieser heute mit, dass der Vorsitzende der GÖD, Fritz Neugebauer, den „Entfall des Unterrichts“ (= wesentlicher Bestandteil des Aktionstages) nicht als gewerkschaftliche Kampfmaßnahme sehen würde. Nahezu gleichzeitig zu dieser Aussendung „regt“ der ZA für Bundeslehrer an den AHS „an“, dass nun statt dieses Aktionstages Dienststellenversammlungen durchgeführt werden sollten, um den „Schulpartnertag“ doch noch „auf eine solide gesetzliche Grundlage stellen“ zu können. Nun ist es eine Tatsache, dass es Aufgabe der Gewerkschaften ist – und somit auch der GÖD – den „unentwegten Kampf zur Hebung des Lebensstandards der Arbeitnehmer Österreichs“ (§3/1, Statuten) sowie „gewerkschaftliche Aktionen zur Herbeiführung günstigster Arbeitsbedingungen“ (§3/2) im ‚Auge zu haben und umzusetzen, während es Aufgabe der Personalvertretung ist „Interessen der Bediensteten“ im Rahmen von Gesetzen, Verordnungen, Erlässen usw. „zu wahren und zu fördern“ (Bundespersonalvertretungsrecht, §2/1). Damit ist die Aktion am 9. April keine Gewerkschaftsaktion mehr, die Konfrontation zwischen Interessensvertretung und Dienstgeber findet nicht statt, die „Veranstaltung“ hat höchstens noch informativen Charakter über die zu erwartende Verordnung. Die überwiegende Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder im AHS-Bereich fühlt sich vor den Kopf gestoßen und schätzt das Verhalten des Vorsitzenden der GÖD als ein solches ein, welches nicht mehr ihrer Interessenslage als ArbeitnehmerInnen entspricht. Die Konsequenzen daraus wird leider nicht der Vorsitzende der GÖD Fritz Neugebauer zu tragen haben, sondern die Gewerkschaftsbewegung insgesamt. Denn wieder wird dadurch eine Schwächung unserer Interessensvertretung herbeigeführt werden, wieder einmal werden viele resignieren, die sich nicht weiter im Kreis führen lassen wollen. Wieder einmal wird der Ruf nach neuen Formen einer effektiven Interessensvertretung laut und wohl auch gehört werden, und somit die Spaltung und Schwächung der gesamtgewerkschaftlichen Position vorangetrieben werden. Der Regierung und unserem Dienstgeber wird das Szenario gefallen, warum es dem Vorsitzenden der GÖD (und nicht dem Nationalratsabgeordneten, dem es Kollege Quinn „zeigen“ will) gefällt, bleibt! nur zu erahnen.

Gerhard Kohlmaier, Steuerinitiative im ÖGB, www.steuerini.at, Gewerkschafts- und Personalvertreter am Schottengymnasium












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