KOMMENTAR
Kurier | 29.03.2003 | Seite 7
Die Politik schiebt ihre Verantwortung ab
Christoph Kotanko über die Einsparungen im Schulsystem
Das Zauberwort ist „Autonomie“. Aber es ist fauler Zauber. Laut Ministerin Gehrer dürfen sich die Schulen selbst aussuchen, welche Stunden sie einsparen, „von oben“ werde nur in Notfällen eingegriffen. Das bedeutet in der Praxis: In den Schulen wird der Kampf um die Stunden und Arbeitsplätze härter. – Es werde keine Kündigungen geben, sagt Gehrer. Das ist nicht falsch, aber nicht die ganze Wahrheit. Pragmatisierte Lehrer kann man ohnehin nicht kündigen. Treffen wird es jene mit befristeten Verträgen, die nicht verlängert werden, wenn Stunden gestrichen sind. So fallen an Schulen mit 20 Klassen 40 Stunden und zwei Posten weg.
Nun ist die Schule nicht dazu da, Junglehrern unter allen Umständen den Job zu sichern. Aber es besteht die Gefahr, dass die Stundenkürzungen nicht nach den Bedürfnissen moderner Ausbildung, sondern nach den Kräfteverhältnissen im Lehrkörper erfolgen. Beispielsweise werden gut organisierte Geografen oder umtriebige Turner zu verhindern wissen, dass bei ihnen gespart wird. Alle, deren Stunden gefährdet sind, werden die Eltern und Schüler im Schulgemeinschaftsausschuss umwerben.
Außerdem wird das System uneinheitlich und weniger durchlässig, wenn die Schulen ihre Stundentafeln weit gehend selbst machen.
Das ist die Kehrseite der „Autonomie“: Die Politik verordnet den
Sparzwang; die Verantwortung für die Ausführung wird aber an die Schulgemeinschaft (also an Schüler, Lehrer und Eltern) abgeschoben. Damit erspart man sich eine ernsthafte Diskussion über die Frage, welcher Lehrstoff denn in welcher Zeit vermittelt werden soll. Eine solche zeitgemäße Festlegung („Evaluierung“) wäre für alle Schultypen
überfällig: Was ist heute für Schüler unverzichtbar? Warum gibt es keine ordentliche Qualitätskontrolle bei Lehrern? Weshalb ist der Unterricht in anderen Ländern (z. B. Finnland) nachweisbar besser, obwohl die Schüler dort weniger Stunden haben? Doch Gehrers Hauptfach heißt: Sparen. Da geht es nicht um Bildung, sondern um die Budgetlücken.
eMAIL: christoph.kotanko@kurier.at
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