DER STANDARD
Montag, 31. März 2003, Seite 9
TIROL
Naturerlebnis aus der "Bambi-Perspektive"
Experten warnen, dass Kinder Natur nur noch als putzig oder beschützenswert erleben
Innsbruck - Eklatanter Bewegungsmangel senkt das körperliche Leistungsvermögen der Elf- bis 14-Jährigen deutlich unter das Niveau früherer Generationen. Nach einer Studie von Andreas Sandmayr aus Salzburg sind vor allem die Rumpfmuskulatur, die Koordination und die Motorik davon betroffen, wobei im Bundesländervergleich der Osten noch schlechter abschneidet als der Westen. An Studien wie diese anknüpfend versammelte die Alpenvereinsjugend am vergangenen Wochenende in ihrem "Umwelt- und erlebnispädagogischen Zentrum Spot Obernberg" 35 internationale Experten unter dem Motto "Naturbeziehung - ein Auftrag moderner Pädagogik". Luis Töchterle, Geschäftsführer der AV-Jugend verweist darauf, dass der Mangel an Bewegung in der Natur nicht nur die körperliche, sondern auch die intellektuelle und emotionale Entwicklung beeinträchtigen würde. Kinder und Jugendliche, die nur noch die "Universum-Natur" wahrnehmen würden, gingen eines wesentlichen Bezugssystems verlustig und würden sich schwerer tun, mit Gefährdungen umzugehen. Der Marburger Pädagoge und Soziologe Rainer Brämer spricht in diesem Zusammenhang vom "Bambi-Syndrom": Natur wird nur noch als putzig und beschützenswert wahrgenommen und es entsteht eine Tendenz, sich selbst auszusperren, Wald und Wiese nicht zu betreten, um nur ja nicht eine Blume am Wegesrand zu zertreten. Zu den äußeren Barrieren, die Kinder und Jugendliche von der Natur und der Auseinandersetzung mit ihr fern hält, kommen innere hinzu. Über seltsame Erfahrungen mit Eltern, die ihre Kinder zu Erlebniswochen des AV abliefern, erzählt Riki Meindl, denn die an sie gestellten Anforderungen als Camp-Leiterin bündeln sich im Wunsch nach hundertprozentiger Sicherheit und "nicht dreckig werden". Ihr Kollege Jürgen Einwanger plädiert für einen Umgang ohne schlechtes Gewissen mit der Natur, die sich erst als Ressource erschließe, wenn "ich mich als Teil der Natur sehe". Dann bestehe auch die Chance auf "Verlangsamung". Der Reiz, die Natur nur für Action und Trendsportarten zu nutzen, schwäche sich rasch ab. Insofern sei auch nachvollziehbar, wenn zumindest bei Erwachsenen das einfache Wandern mit seinen maximalen Möglichkeiten zu sensorischen Wahrnehmungen auf stark wachsenden Zuspruch stoße. (hs)
Kommentar E.W.:
Der erste Absatz ("Eklatanter Bewegungsmangel ...") paßt wie angegossen zur Gehrer'schen Entlastungspolitik der österreichischen SchülerInnen durch den (lt. KURIER geplanten) Entfall von einer Turnstunde in der 3. Klasse. Und was in der Unterstufe gut ist, wird in der Oberstufe noch
ausgebaut: eine Turnstunde weniger sowohl in der 5. als auch in der 6. Klasse.
Die Lehrplanentrümpelungskommission hat wohl erkannt, daß der Mensch in Zeiten, wo es schon automatische Rasenmäher gibt, nicht mehr auf die Verfügbarkeit der Skelettmuskulatur angewiesen ist ...
Und wenn man mit der Haupt'schen Syntax Vizekanzler werden kann, dann zeigt der Verzicht auf eine Deutschstunde in der 1. Klasse, daß das Ministerium seinen Finger am Puls der Zeit hat ... Der Entfall der vierten Unterrichtsstunde in der 2. lebenden Fremdsprache in der 5. Klasse weckt ebenfalls Assoziationen zu mehr als einem/r Politiker/in
...
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