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An der Bildungsfront
Marschbefehl für Lehrer, Schutzübung für Schüler: Wie der Krieg den US- Schulalltag prägt
Der 55-jährige Albert Dean hatte sich gerade in seiner lang ersehnten Rolle als Leiter der Bossier High School in Bossier City eingerichtet. Nun muss der Reserve-Oberstleutnent in den Krieg ziehen. „Während die USA ihre Streitkräfte im persischen Golf aufbauen, erleiden die Schulen in der Heimat eine Reihe von Kollateralschäden“, stellte die Lehrerzeitung Education Week schon eine Woche vor Kriegsbeginn fest. Wie Dean gibt es viele Reserveoffiziere unter den Lehrern – so mancher Aufsteiger musste sich sein Studium von der Armee bezahlen lassen.
Für Dean aktivierte die Schulbehörde einen pensionierten Mittelschulleiter, der ihm den Platz freihält. Doch nicht überall ist die Administration so kooperativ. Mancher Reserveoffizier fürchtet nun nicht nur eine feindliche Kugel – sondern auch, dass sein Platz daheim besetzt ist, wenn er zurück kommt.
Grüße an die Helden
Angst haben auch viele der 800 000 Schulkinder, die ein Elternteil in der Armee haben. An der Bill Hefner Elementary School in Denver, Texas, lässt Grundschullehrerin Denise Holmes ihre Kleinen eine Pinnwand unter der Überschrift „Wir grüßen unsere Helden“ gestalten, mit Bildern, Briefen und Gedichten von und an die „Geliebten in Übersee“. Die Eltern sollten über das Wetter, die Landschaft und Verpflegung schreiben, aber über nichts, was die Kinder verwirren könnte. Wenn da ein Kleiner sagt „Mein Vater bedient große Kanonen“, würde das die anderen doch beunruhigen.
Unruhe gibt es an Schulen, in denen Armeeangehörige in der Minderheit sind. Insgesamt 16 Zusammenstöße zwischen Kriegsgegnern unter den Schülern und Kindern von Armeeangehörigen sind einem Familienbetreuer der Nationalgarde aus Maine zu Ohren gekommen. Bei ihm hätten sich Schüler auch über einen Lehrer beschwert, der den Irak-Krieg als unmoralisch und ungerecht bezeichnet habe.
Furcht breitet sich aber auch bei den Schülern aus, deren Eltern nicht in den Krieg zogen. Chemie-Alarmübungen werden abgehalten, das Aufsuchen von Schutzräumen und Abdichten der Schule wird geprobt. Grundschüler in Washington sollen ab sofort mit einem go-bag in die Schule kommen, der eine Trinkwasserration, haltbare Lebensmittel, Medikamente und eine Plastikkarte mit Kontaktadressen enthält.
Den Lehrern an der Heimatfront wird ein Drahtseilakt zugemutet. Sollen sie überhaupt über den Krieg reden? Gerade jetzt, wo sie ihre Klassen auf den nächsten überregionalen Test in Mathematik vorbereiten sollten? Wie vermeiden sie den Eindruck der Indoktrination? In jedem Fall stehen sie unter Beobachtung. Bob Peterson, Aktivist von Teachers against war in Milwaukee, stellte kürzlich in einer Zeitung eine Unterrichtseinheit mit Protestsongs vor. Eines der Lieder handelte davon, dass George W. Bush „nicht unser Präsident“ und Amerika keine wahre Demokratie sei. Eine Talkshow griff die Sache auf, es hagelte Anrufe und e-mails, die die Entlassung des unpatriotischen Lehrers forderten.
Andere hat es schon getroffen. In Albuquerque, New Mexico, wurden zwei Lehrer entlassen, die sich weigerten, ihre Anti-Kriegs-Buttos abzunehmen. Das verletze das Gebot der Ausgewogenheit, befand Schulbehörde. Eine der Gefeuerten hielt dagegen, sie wolle nur die Kriegs-Botschaften des schulischen Reserve-Offiziers-Trainings-Corps ausgleichen. Tatsächlich ist die Armee mit ihren Rekrutierungsoffizieren an den High Schools verstärkt präsent, um Senior Students zu werben, die – wie Albert Dean – eines Tages in Marsch gesetzt werden könnten.
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