Presse 08 04 03 http://www.diepresse.com/default.asp?channel=p&ressort=i&id=347374

Schulstunden: Belastete oder belästigte Schüler?

Weniger Schulstunden: Mit ersten Aktionen starteten die Lehrer ihre Protestwochen.

VON ERICH WITZMANN

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Weniger Schulstunden erhitzen die Gemüter

WIEN. Die Aussage des Gewerkschaftsvertreters für die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BHS), Helmut Skala, geht ins Ohr. "Die Schüler fühlen sich nicht überlastet, sondern belästigt", sagt er und meint
damit: Sie wollen keine Reduktion der Schulstunden, diesbezügliche Aktivitäten des Bildungsministeriums empfinden sie als Belästigung.

Montag traten führende Lehrergewerkschafter vor die Presse, heute, Dienstag, entfallen an der größten Schule Österreichs, der HTL Mödling, zwei Unterrichtsstunden, da die Lehrer eine Dienststellenversammlung abhalten. Am Mittwoch folgen dann die AHS-Lehrer, wobei sie die Eltern schon vorsorglich wissen ließen, dass drei bis fünf Stunden entfallen werden. Nur an den Pflichtschulen läuft - vorerst - der Unterricht normal weiter.

Die Lehrkräfte sind sich sicher, gegen Ministerin Elisabeth Gehrer zumindest in der öffentlichen Meinung zu punkten. Denn sie wollen die Schüler und Eltern auf ihre Seite bringen. Und sie gehen von der Überzeugung aus, dass die OECD-Studie, derzufolge Österreichs Schüler im Vergleich zu anderen europäischen Ländern am längsten in der Schule sitzen, auf unrichtigen Daten beruht. AHS-Gewerkschafter Helmut Jantschitsch hat zudem errechnet, dass alle bis zur Matura entfallenen Stunden einem halben Schuljahr entsprechen. "De facto reduziert sich die AHS-Langform auf siebeneinhalb Jahre."

Gleichzeitig operieren die Lehrervertreter mit Statistiken und Erhebungen, die zumindest ebenso fragwürdig sind wie die kritisierte OECD-Studie. Einmal wird Frankreich zum Vergleich herangezogen, da in diesem Land Religion nicht zum Pflichtfächerkanon zählt. Dann orientiert man sich an Ländern, in denen es nicht so viele Feiertage gibt. Einmal wird die internationale Pisa-Studie, die Österreich einen passablen Bildungsstandard ausweist, als Gütezeichen für den derzeitigen Wissensstand herangezogen, dann wieder in ihrer Aussagekraft in Zweifel gezogen. Skala: "Mit Pisa lässt sich trefflich Politik machen."

Über den Schulgemeinschaftsausschuss (SGA) sollen Eltern und Schüler mobilisiert werden, die von Gehrer angesprochene Schulpartnerschaft wollen die Lehrer aber dann boykottieren, wenn der SGA autonom über eine Stundenreduktion befinden soll.

Die Hauptschulen, die im gleichen Ausmaß von der Kürzung betroffen sind, halten sich mit Protesten zurück. "Weil dort wegen einer anderen Stundenverrechnung keine Dienstpostenkürzungen drohen", sagen AHS- und BHS-Vertreter und verweisen damit darauf, dass es nicht nur um das pädagogische Moment geht. Weniger Stunden bedeuten zugleich weniger Lehrerposten.

Die Ministerin hat zugesagt, dass keine (fix) angestellten Lehrer gekündigt werden. Was andererseits heißt: Jene, die in den vergangenen Jahren stets nur für ein Schuljahr beschäftigt wurden, kann es sehr wohl treffen. "Die jungen Kollegen müssen zittern", sagt Lehrergewerkschafterin Marlene Heinzelmaier.

Die Lehrervertreter gehen - wohl nicht ganz unberechtigterweise - davon aus, dass der Finanzminister und nicht die Bildungsministerin die Reduktion angeordnet hat. Dazu auch Skala: "Es wäre ehrlicher, die Einsparungsvorgabe des Finanzministers zuzugeben." Wobei man sicher sein darf, dass Skala auch bei der von ihm apostrophierten Ehrlichkeit gegen die Stundenkürzung Sturm laufen würde.





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