Die überschätzten Schulstunden
Von JULIUS MENDE

Teil 2 -

Das Schulwissen ist mehrheitlich ein unbrauchbarer Müllhaufen und dient lediglich zum Kinderschinden. Das ist für die Wirtschaft gut. Da lernen die Kinder, jede Stunde auf Befehl was anderes zu tun für Noten (Lohn), ohne zu wissen, wofür. Sicher gibt's auch andere LehrerInnen, die dieses tote Wissen zu verlebendigen verstehen. Trotz Projektlernen und Fachbereichsarbeit, trotz Gruppenarbeit und Lehrausgängen, samt Telelearning ist die Schule mehrheitlich die einstmals von Otto Glöckel so genannte Paukschule geblieben. Die Millionen, die Österreichs Eltern für Nachhilfe ausgeben, unterstreichen noch diesen Befund. Und weil die Schwarzen es so mit der Wirtschaft haben, wird diese Tendenz zum Pauken, damit du einen Arbeitsplatz ergatterst, hochgefahren. Werden Privatschulen forciert, wird der Einfluss der Wirtschaft durch Werbung in der Schule, durch Sponsoring und Bereitstellen von LeihlehrerInnen und Arbeitsgeräten stärker. Bildung wird mehr denn je zur Disziplinierung und Abrichtung für den Arbeitsmarkt. Die wichtigen, vor allem Wiener Versuche mit offenem Lernen, Familienklassen und Integrationsprojekten können die Haupttendenz nicht brechen. - Und da soll es ein Fehler sein, zwei Stunden abzuzwacken?

Doch Frau Ministerin hat noch nicht ausgeträumt. Weil die schwarzen Gewerkschaften nicht von Pappe sind, hat sie einen Schwenk geträumt, und plötzlich wird das Stundensparen zu einem Akt der freien Selbstbestimmung der Schulautonomie. An den Schulen soll abgestimmt werden, welche Stunden fliegen. Lange hab ich als Zeichenlehrer nicht nachdenken müssen, welche Stunde fliegt: Bildnerische Erziehung. Nicht Religion, nicht Mathematik.

Bildnerische Erziehung verlockt gerade zu besagten Schnitten, weil es häufig in zwei Gruppen unterrichtet wird. Ich brauch also doppelt so viele LehrerInnen. Da hätte ich mit einer gestrichenen Stunde zwei Lehrerstunden kassiert, und das noch in einem Akt freiwilliger Selbstverwaltung. 60 Prozent der KollegInnen in Hauptschulen und Gymnasien haben keine gültige Lehramtsprüfung, die kann man am leichtesten loswerden - die haben ausgeträumt. Und das im Land der Zimbeln und Geigen und der Barockkirchen.

Der internationale Vergleich böte allerdings Beispiele - wie etwa Frankreich -, wo es an den streng laizistischen Schulen gar keinen Religionsunterricht gibt. Die Kinder Gläubiger werden, wie es sich gehört, von den Religionsgemeinschaften unterrichtet, die ChristInnen in den Kirchen, die Juden und Jüdinnen in den Tempeln, die Moslems in der Moschee. Oder als Alternative: Senkung der Klassenschülerzahlen, Belassen der LehrerInnen, um die Arbeitslosigkeit zu mindern, und zwei Stunden oder mehr streichen - da freuen sich alle!

Bleibt einzig die Frage, wo alleinerziehende Mütter ihre Kinder in den zwei Stunden unterbringen - bitte sehr, so wie schon jetzt: in der Nachmittagsbetreuung. Schafft den Religionsunterricht ab, den Lateinunterricht in der Unterstufe, Mathematik ein Stündchen oder Englisch. Ein bisschen weniger EU - fein, wird nicht schaden, außerdem kann man in der Schule eh nicht Englisch lernen, das geht am besten in England. Es lebe Erasmus, der kluge Alte aus Rotterdam. (Erasmus heißt ein Studenten- austauschprogramm der EU.)

Julius Mende ist Lehrer an der Päd. Akademie d.B. Wien.

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