SN 11 04 03
http://www.salzburg.com/sn/03/04/11/artikel/423966.html
"Lauter ganz logische Schritte"
Bildungsministerin Elisabeth Gehrer im SN-Gespräch über das neue Tempo in der Bildungspolitik und über die vielen Lehrer, die neuerdings in der Regierung sitzen.
HELMUT SCHLIESSELBERGER
(...)
SN: Da in der Bildungspolitik große Reformen sehr lang dauern, wird es nicht auch sehr lange dauern, bis die Ergebnisse der Zukunftskommission umgesetzt werden können?
Gehrer: Ich glaube, dass man heute nicht mehr jahrelang planen kann wie früher. Heutzutage heißt es: Planen mit vielen, entscheiden, umsetzen, evaluieren, nachjustieren. Früher hat man vier, fünf Jahre lang geplant. Das bringt nichts. Beim Unigesetz haben wir das innerhalb eines Jahres geplant, beschlossen und jetzt ist die Umsetzung, dann werden wir es evaluieren, vielleicht müssen wir noch nachjustieren.
SN: Die Stundenreduktion ist ja schon auf Schiene. Wenn Sie diese Reform, so wie sie jetzt dasteht, bewerten würden auf einer Notenskala von 1 bis 5; 1 wäre Sehr gut - ein großer Wurf, 5 - ein Hüftschuss?
Gehrer: Ich glaube nicht, dass man solche Dinge mit Notenskalen beurteilen kann. Wir haben ganz logische Schritte gesetzt. Wir haben die inhaltliche Entlastung mit dem Lehrplan '99 für die 10-14-Jährigen festgelegt und die muss jetzt gemacht werden. Es folgen jetzt die Lehrpläne für die Oberstufen, wo ebenfalls die inhaltliche Entlastung festgelegt wird. Zweiter Schritt ist die zeitliche Entlastung und der dritte die Qualitätssicherung. Es war bisher schon so, dass alle Lehrpläne Rahmenlehrpläne waren. Wenn ein Lehrer sagt, ich habe keine Zeit, etwas zu erklären, ich muss den Lehrplan, den Stoff oder das Buch durchmachen, dann hat er nicht erkannt, was wirklich wichtig ist: Dass der Schüler den Teil, den er aus dem Lehrstoff herausnimmt, versteht und verarbeitet. Ich finde die jetzige Diskussion äu-ßerst hilfreich, weil das endlich öffentlich bewusst gemacht wird.
SN: In der jetzigen Diskussion geht es aber primär darum, dass der Eindruck entstanden ist - so sehr Sie auch immer betonen, dass Bildungspolitik nicht auf Zuruf passieren darf -, dass die Stundenreduktion jetzt auf Zuruf des Finanzministers passiert ist.
Gehrer: Nein, dem Finanzminister ist das völlig egal, was ich mache, wenn ich dafür sorge, dass die Personalkosten nicht davonrennen. Ich hätte genauso gut auch sagen können, wir nehmen eine andere Maßnahme. Ich glaube nur, dass solche Entscheidungen immer aus einer Entwicklung heraus fallen, aus zahlreichen Dingen, die vorher gewesen sind. Wir haben eine zuerst inhaltliche Entlastung gemacht, dann haben wir die OECD-Studie gekriegt.
SN: Für die Oberstufe gibt es noch keine inhaltliche Entlastung.
Gehrer: Da gibt es Rahmenlehrpläne und Schwerpunktsetzungen. Ein Wahlpflichtfach ist ja nichts anderes als eine Schwerpunktsetzung. Ich glaube einfach, dass die Selbstständigkeit des Lehrers mehr in den Vordergrund gestellt werden muss. Wir brauchen aber die Einteilung in Kernbereiche und in Erweiterungsbereiche. Das haben wir in der Unterstufe. Aber noch einmal: Diese Entscheidung ist aus einer Zahl von vorherigen Entscheidungen heraus entstanden. Erstens: inhaltliche Entlastung. Zweitens: Die Eder-Studie, die besagte, HTL-Schüler arbeiteten bis zu 65 Stunden in der Woche. Drittens: PISA-Studie, 10. Platz. Viertens: OECD-Vergleich, wir geben am meisten aus für Bildung und haben die meisten Stunden in ganz Europa. Da kann man jetzt darüber diskutieren, ob das richtig erfasst ist, aber es ist ein Trend. Dann kommt noch dazu die Studie von Frau Dr. Spiel, die aussagt, dass ein 13-Jähriger etwa 45 Stunden im Schnitt arbeitet, und dann kommt noch dazu, dass man sagt, es kann nicht sein, dass einem die Personalkosten so davonrennen.
SN: Aber alle diese Studien hat es im Oktober vorigen Jahres bereits gegeben, als die OECD-Zahlen herausgekommen sind. Damals haben Sie gesagt, Sie sehen keinen Anlass, Stundenreduktionen vorzunehmen.
Gehrer: Das stimmt einfach nicht.
SN: Sie haben auch die Einführung der Studiengebühren anfangs dezidiert ausgeschlossen. Und dann sind sie sehr rasch gekommen. Müssen Sie überhaupt oft Dinge umsetzen, die Sie so nicht umsetzen wollen?
Gehrer: Nein, das stimmt einfach alles nicht. Ich habe am Anfang mit den Studiengebühren keine Freude gehabt, das hat auch jeder gemerkt.
SN: Sie haben dezidiert gesagt, Studiengebühren kommen nicht.
Gehrer: Ich habe gesagt, es ist nicht mein oberstes Anliegen, Studiengebühren einzuführen. Aber ich bin dafür, dass man für Pensionisten und für solche, die einen zweiten und dritten Studienweg machen, das einführen sollte.
SN: Es ist aber anders gekommen.
Gehrer: Schon, aber es ist nicht möglich in Österreich, für einen Teil die Studienbeiträge einzuführen und für den anderen nicht. Okay. Daraus hat man die Konsequenz gezogen. Heute sage ich, es war der richtige Weg. Bezüglich der Stundenentlastung - die ist mir schon lange vorgeschwebt, besonders für die HTL, besonders für die Berufsbildenden Höheren Schulen, die 39 Stunden in der Schule sitzen. Und es braucht für alles gewisse Anlässe. Der Anlass ist ganz einfach, dass seit vielen Jahren viele sagen, die Schüler sind zu sehr belastet. Ich hab mich immer hingestellt und hab gesagt, das ist wichtig. Und ich war die ganze Zeit konfrontiert mit der Frage, wir brauchen das meiste Geld für die Schulen, wir haben die geringste Lehrverpflichtung und liegen nur an 10. Stelle der PISA-Studie, wir haben die meisten Stunden und was nutzt es? Irgendwann einmal ziehst du aus so einer Diskussion auch eine Konsequenz. Ich verstehe es wirklich nicht, was so verwerflich ist, wenn ich eine vernünftige Entlastungsmaßnahme mache.
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