SN 11 04 03
http://www.salzburg.com/sn/03/04/11/artikel/423966.html
"Lauter ganz logische Schritte" (2)
SN: SN: Es würden viele eher verstehen, wenn die Zukunfts-Kommission jetzt zum Beispiel arbeiten würde, man dann etwas Konkretes vorlegt und dann auf Basis der Ergebnisse...
Gehrer: Die Zeiten sind vorbei, wo man jahrzehntelang an irgendetwas arbeitet. Wir haben die inhaltliche Entlastung für die 10- bis 14-Jährigen gemacht. Ich habe Fachleute, die kann ich auch Kommission nennen, ob das die Frau Dr. Spiel ist, ob es die OECD ist, ob es PISA ist oder was weiß ich. Das ist ganz egal, da sind Ergebnisse da. Und wenn ich dann noch sagen kann, damit erreiche ich auch, dass die Personalkosten mir nicht davonrennen. Ich habe 2,1 Mrd. Euro Personalkosten. Die steigen jährlich um 1,5 Prozent nur durch die Vorrückungen. Was ich jetzt erreichen kann, ist, dass in zwei Jahren die 1,5 Prozent nicht total schlagend werden. Ich habe trotzdem mehr Personalkosten, da ich mehr Schüler habe.
SN: Haben Sie jemals "Taxi Orange" angeschaut? Lehrer sagen, sie müssten jetzt im Konferenzzimmer die Kollegen hinauswählen.
Gehrer: Ich habe mir "Taxi Orange" nicht angeschaut und ich lehne diesen Vergleich ab.
SN: Aber Sie sehen schon, wie jetzt die Fächerlobbys aufeinander losgehen in der Diskussion darüber, wo gekürzt werden soll?
Gehrer: Ich glaube, dass der Fachegoismus endlich einmal aufhören muss. Ich glaube, dass endlich einmal fächerübergreifend gedacht werden muss. Und dass das ein Ende haben muss. Und für diejenigen, die sich nicht einigen können, wird eine Stundentafel vorgeschlagen. Nachdem alle Leute scheinbar die Autonomie nicht mehr wollen, sondern sich nach dem Zentralismus sehnen, dann werden wir das auch machen. Wer die Autonomie nicht mehr will, der muss eben mit den zentralen Vorgaben leben.
SN: Kann es im Zuge einer groß angedachten Reform auch zur Auflösung der mariatheresianischen Ordnung der Jahrgänge an den Schulen kommen - zumindest an der Oberstufe ?
Gehrer: Da müssen die Fachleute die Vorschläge machen. Ich frage seit acht Jahren, gibt es irgendwo ein Modell, wo die Klassen aufgelöst sind, diese berühmten Kurssysteme. Das gibt es nirgends!
SN: Das heißt ja nicht, dass das nicht funktionieren könnte.
Gehrer: Nein, das heißt es nicht, aber im Schulbereich muss man sorgfältig umgehen, da muss man zuerst etwas ausprobieren, bevor man flächendeckend etwas verordnet. Das mache ich nämlich nicht.
SN: Hätte man die Stundenreduktion nicht vielleicht auch zuerst ausprobieren müssen?
Gehrer: Wie wollen Sie die Stundenreduktion vorher ausprobieren, außer mit Stundenreduktion?
SN: Vielleicht nicht gleich flächendeckend einführen.
Gehrer: Das hat es schon gegeben: die Tiroler Landhauptschulen. Die Tiroler Landhauptschulen haben schon seit Jahren 120 Stunden. Ich verstehe das Denkschema nicht, das da manche haben. Wenn wir wirklich ein Kurssystem einführen, dann muss ich zuerst schauen, wie das funktioniert. Was soll ich bei Stundenreduktion schauen, ob es funktioniert, jahrelang.
SN: Diese große Reform, die angedacht wird in der Zukunftskommission, soll sehr weit gehen. Haben Sie eine Vision, wie eine qualitätvolle, entrümpelte, ,neu gedachte' Schule in zehn Jahren ausschauen kann?
Gehrer: Ich halte es für wahnsinnig wichtig, dass Leistungsstandards definiert werden, dass man das Ziel festlegt, auf das man hinarbeitet in vier Jahren, dass man von dem Ziel heraus die wichtigsten Inhalte festlegt. Dass mit modernen Methoden gearbeitet wird. Das heißt, selbstverständlich mit Computern, mit Internet, mit allem, was es gibt. Und dass die Lehrer wissen, dass weniger oft mehr ist, aber das muss das Richtige sein und muss richtig sitzen. Ein partnerschaftliches Verhältnis in der Schule und einfach eine positive Stimmung. Was ich derzeit manchmal bedaure, ist der Umstand, dass es scheinbar Leute gibt, die sich jeden Tag selber Leid tun und die so traurig sind. Und ich finde, mit traurigen Lehrern oder Lehrerinnen kannst du eigentlich die Zukunft nicht bewältigen. Es gibt viele, die super sind, und das, was man den Kindern geben muss, ist die Freude an der Leistung, die Freude an der Herausforderung und Zukunftsmut. Und nicht Zukunftsangst. Das wünsch ich mir.
SN: Wissen Sie eigentlich, welche Berufsgruppe von der Ausbildung her nach den Juristen in der Regierung am häufigsten vertreten ist?
Gehrer: Das weiß ich nicht, nein.
SN: Die Lehrer.
Gehrer: Wieso?
SN: Haubner, Schweitzer, Rauch-Kallat und Sie. Spricht das für den Lehrerberuf oder dagegen?
Gehrer: Nein, ich glaube, dass daraus überhaupt keine Ableitungen möglich sind, sondern Politik bedeutet Engagement. Und es gibt sehr viele Berufsgruppen, die bereit sind, sich zu engagieren. Außerdem wird das auch kein Dauerzustand sein, das ist eine Zufälligkeit.
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