SPIEGEL ONLINE - 10. April 2003, 9:11
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Stress im Klassenzimmer
Jeder dritte Lehrer ist ausgebrannt
Von Jochen Leffers

Die Hälfte der deutschen Lehrer klagt über besonderen Stress, jeder dritte ist unzufrieden, resigniert und zeigt "Burn-out"-Symptome - vor allem wegen schwieriger Schüler und zu großer Klassen. Das zeigt eine neue Studie zur Lehrerbelastung.

In der Öffentlichkeit kursiert ein seltsames und widersprüchliches Bild über den Lehrerberuf. Manche bewundern Pädagogen für ihr Engagement beim schwierigen Job im Klassenzimmer oder halten sie für bemitleidenswert, andere halten sie für eine sozial rundum perfekte abgesicherte Berufsgruppe mit reichlich Zeit zum Tennisspielen und starkem Hang zum Jammern. Legendär ist ein Statement von Gerhard Schröder, als er noch niedersächsischer Regierungschef war, gegenüber Schülerzeitungsredakteuren: "Also Freunde, ihr wisst doch genau, was das für faule Säcke sind." Die vielen Lehrer in der Partei, so hört man von Sozialdemokraten und Gewerkschaftern, sollen nicht wirklich amüsiert gewesen sein.

"Den 'faulen Hunden' in der Fantasie vieler Kritiker stehen 'arme Schweine' in der pädagogischen Realität gegenüber", konterte jetzt Erhard Geyer. Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes kann sich auf neue Argumente stützen - nicht auf die Iglu-Studie, bei der deutsche Grundschullehrer viel Lob ernteten, sondern auf eine druckfrische Untersuchung zu den Belastungen des Lehrerberufs.

Demnach zeigen rund 30 Prozent der deutschen Lehrerinnen und Lehrer deutliche "Burn-out"-Symptome: Sie haben resigniert, sind unzufrieden und nur noch mäßig engagiert, sind unzufrieden, niedergeschlagen, wenig widerstandsfähig und halten sich auch nicht mehr für geeignet, ihren Beruf auszuüben. Mindestens jeder zweite Lehrer fühlt sich durch den besonderen Stress in seinem Beruf im Übermaß belastet und gefährdet so seine Gesundheit.

Das geht hervor aus einer bundesweiten Befragung von rund 7.000 Pädagogen aller Schulformen. Im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes hatte Potsdamer Professor Uwe Schaarschmidt, Direktor des Institut für Psychologie an der Universität Potsdam, die Stressbelastung von Lehrern untersucht und stellte die Ergebnisse am Mittwoch in Berlin vor.

Nach Einschätzung von Schaarschmidt sind Lehrer mit ihren langen Arbeitstagen "in besonderem Maße psychosozial belastet" und nannten als stärkste Stressfaktoren das Verhalten schwieriger Schüler und die Klassenstärke. Auch im Vergleich mit anderen und ähnlich belasteten Berufen wie Polizisten, Pflegern, Beschäftigten im Strafvollzug und im Sozialbereich zeigten sich bei Lehrern generell die ungünstigsten Konstellationen, sagte Schaarschmidt.

"Viele Studenten sollten nicht Lehrer werden"

Selbstüberforderung ermittelten die Forscher häufig an Grundschulen und in Gymnasien sowie in Ostdeutschland vor, Resignation grassiert vor allem bei Hauptschullehrern. Zu den Risikogruppen gehören besonders Lehrerinnen und in der Regel bereits die jüngeren Lehrkräfte.

Zu den Ursachen dieser Befunde, die meist auch gesundheitliche Probleme von Herz-Kreislauf-Beschwerden bis zu Magen-Darm-Störungen verursachen, zählt Schaarschmidt auch die Umstände der Berufswahl. "Unter den Lehramtsstudenten sind zu viele, die nicht Lehrer werden sollten", sagte der Potsdamer Wissenschaftler. Sie seien den Anforderungen des Lehrerberufes nicht gewachsen. Vor Studienbeginn müsse den Interessenten ein realistisches Bild des Lehrerberufes vermittelt werden
- und in der pädagogischen Ausbildung selbst mehr Wert auf Konfliktbewältigung und Strategien zum Umgang mit schwierigen Schülern gelegt werden.

Peter Heesen vom Deutschen Beamtenbund warnte die Politik davor, die Belastungen der Lehrer etwa durch mehr Unterrichtsstunden weiter zu vergrößern. Darüber ist gerade in mehreren Bundesländern Streit entbrannt.





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