Was sind das nur für eigenartigen Argumente, wenn es heißt, dass "selbst ein Experte" einen hohen Betrag verspekuliert hat?

Schlimmer ist es doch, wenn institutionelle Anleger die Gelder der Kunden verspekulieren oder ein niederösterr. Landesrat unsere Steuergelder dahinschmelzen lässt.

Das Übel der Finanzmärkte ist die Gier. Wer in die höchste Risikostufe einsteigt, der muss auch mit dem Schlimmsten rechnen. Ein anderer Experte, nämlich US-Notenbankpräsident Alan Greenspan hat angegeben, dass er sein privates Vermögen immer nur nicht in Aktien, sondern lediglich in Rentenfonds angelegt hat. Ein gutes Beratungsgespräch sollte einfach über Risiken und Chancen der Märkte aufklären, und wenn das funktioniert, so ist das wertvoll. Wenn man sich Aktien zulegt, dann ist es eben ratsam sich regelmäßig zu informieren, Wirtschaftsnachrichten zu lesen und dementspechend zu disponieren. Wer nur mit ein klein wenig Sachverstand Zeitungen liest, der muss doch in der Lage sein aus Nachrichten die logischen Konsequenzen zu ziehen. Etwa als die UMTS-Lizenzen um Wahnsinnsbeträge versteigert wurden, die Technologie aber noch in Kinderschuhen war, da war es doch sonnenklar, dass man in dieser Situation aussteigen muss. Oder?

Es ist eine verzerrte Darstellung, wenn Koll.Gruber behauptet, dass die Versicherungswirtschaft ein Gesetz zu Fall bringt, das 1,5% Ertrag sichern soll. Wer diesen Ertrag sicher haben will, der darf an Aktienmärkte nicht anrühren. Aber anderseits sind auch Produkte zu haben, mit möglichen Gewinnen im zweistelligen Bereich und zugleich mit einer Kapitalgarantie von 3,25 Prozent. Man muss seinen Berater eben nur nach einem Produkt mit Kapitalgarantie fragen. Ich betrachte es nicht als Werbung, sondern als Information, dass es solche Produkte natürlich auch gibt.

Mit meinem Hinweis auf "König Kunde" brachte ich zum Ausdruck, dass der Kunde einen Anspruch auf eine tadellose Beratung hat. Und wenn ein Berater dies nicht bieten kann, dann wird Kunde hoffentlich nicht einen Vertrag unterschreiben. Sind das nicht Selbstverständlichkeiten? - Und wenn ein Kunde es genau wissen will, dann ist das Berater-Honorar wirklich nicht üppig. Wer aber auf Beratung verzichtet oder gar nicht in der Lage ist dem Berater auf das, worauf es ankommt, anzusprechen, der hat ein hohes Risiko. Besser aber noch als ein Beratungsgespräch zu konsumieren, ist, wenn man sich selber zum Berater ausbilden lässt. Weil mein Wissensdurst so groß ist, habe ich mir dieses kostenlose Angebot natürlich nicht entgehen lassen. Doch auch etwas anderes ist wahr: Nicht immer, aber sehr oft
gilt: die schlechtesten (zielorientiertesten) Berater machen das beste Geschäft. Wenn wir Schüler auf das Leben vorbereiten wollen, dann gehört dazu auch die Fähigkeit zur Entscheidung: "Das will ich, das brauch ich - oder nicht." Will ich selber ein Risiko tragen oder mich dagegen versichern? Natürlich wäre es besser, wir alle wären insgesamt eine Solidargemeinschaft. Aber so ist es eben nicht.

Ich bin natürlich einverstanden, dass wir viel Kraft in die Erhaltung eines finktionierenden Pensionssystems stecken und alle Mühe dafür verwenden den Sozialstaat zu retten, ja auszubauen. Aber wer kann die Regierung daran hindern unser Familiensilber zu verkaufen und gegen Abfangjäger einzutauschen? Wer bis jetzt noch nicht begriffen hat, dass viele Schritte irreversibel sind (angefangen von Österreichs EU-Beitritt bis hin zu GATS), der lebt an der derzeitigen Realität vorbei. Und wer die Wahrnehmung der Realität verweigert, der wird möglicherweise mit Armut bestraft. Es kommt aber darauf an, wie viel Spielraum wir der Regierung gewähren, das, was uns wichtig und wertvoll ist, zu zerstören.

Günter Wittek


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: "Hans Gruber"
An: "Lehrerforum"
Gesendet: Freitag, 18. April 2003 17:31
Betreff: LF: Re: Vorsorge, #2


Liebe Kollegen Freis & Wittek!

Ich würde Ihnen wirklich nahelegen, Ihre "Produktinformation" außerhalb des LF zu plazieren.

Zu Koll. Freis' Darstellung der ÖBV als caritative Vereinigung: die ÖBV ist eine Tochtergesellschaft der Wr. Städtischen, die wie jedes Unternehmen gewinnorientiert agiert. Das ist an und für sich nichts Schlechtes, drückt allerdings die Ertragslage der Anleger, was wahrscheinlich in keinem Beratungsgespräch thematisiert wird. Allein der Aufwand für Verwaltung, Werbung und Provisionen ist bei privaten Anbietern zehn Mal höher als beim staatlichen Pensionssystem.

In jedem Fall sind die Gewinnverheißungen im Bereich des Irrationalen
anzusiedeln: Fällt die steuerliche Nutzbarkeit (sowas ist schon passiert!), kriselt der Aktienmarkt (soll auch schon vorgekommen sein), dan können sich die Anleger ihren jahrelangen Gehaltsverzicht in Form von Prämienzahlungen in den Rauchfang schreiben. Selbst der Experte Prof. Marin hat nach eigenen Angaben auf diese Weise im letzten Jahr fast 50% seiner privaten Pensionsrücklagen verloren (er spricht von € 35.000).

Koll. Wittek sieht in starker staatlicher Kontrolle eine Möglichkeit, kleine Anleger zu schützen. Die raue Wirklichkeit sieht anders aus: Soeben ist die Versicherungswirtschaft dabei, ein Gesetz zu kippen, das ihnen vorschreibt, für private Pensionsvorsorgen einen Mindestertrag von (sage & schreibe) 1,5% pro Jahr zu garantieren. Diese Verzinsung, die jeder Student für sein Girokonto bekommt, wird als unzulässiger Eingriff des Staates in die Geschäftsgebarung und Bedrohung der wirtschaftlichen Substanz der Gesellschaften gesehen. Was lernen wir daraus? Die Versicherungswirtschaft ist eben dabei, sich einen Freibrief zum Verspekulieren der ihnen anvertrauten Gelder zu beschaffen.

Das Geschäft mit der Angst blüht trotzdem. Die Wirtschaft erwartet sich 5 bis 6 Millionen Neuabschlüsse bei Privatpensionen in den nächsten Jahren. Der Wettlauf um den größten Anteil am Kuchen hat schon begonnen.

Die Energie, die in den Kampf um die "ohnehin nicht üppige Provision" (Koll. Wittek) der Berater geht, wäre besser in gemeinsamen politischen Aktionen zur Erhaltung eines funktionierenden staatlichen Pensionssystems investiert, zumal auch alle ökonomischen Argumente dafürsprechen.

mfG
Hans Gruber


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: "Kurt Winterstein"
An: "Günter Wittek"
Cc: "Lehrerforum" ; "Hans Gruber"
Gesendet: Freitag, 18. April 2003 18:35
Betreff: Re: LF: AW: Re: Vorsorge

:
: Günter Wittek schrieb:
:
: > ............
: > Man sagt, dass der Kunde König ist. Wenn ein Angebot nicht nachgefragt wird,
: > verschwindet es wieder. Wenn die Bedingungen für ein Produkt nicht stimmen,
: > werden nur wenige Leute zugreifen.................................
:
: Aha, wenn das Wasser, nachdem die Versorgung privatisiert worden ist,
: das Doppelte kostet -wie wir das ja schon vor Inkrafttreten des GATS
: feststellen konnten- dann wendet sich der Kunde ab mit Grausen und
: verdurstet, aber Günter Wittek tröstet ihn:
:
: "Bist zwar verdurstet, aber ein König!"
:
: Kurt Winterstein


--
Diese Liste wird vom Personal Computer Club (http://www.pcc.ac) betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im Nachrichtentext.