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Elisabeth Gehrer im Interview: "Man kann es nicht allen recht machen"

Elisabeth Gehrer tritt am Samstag wieder als Vizeparteichefin an. Im "Presse"-Interview nimmt sie zur Partei und zur Pensionsreform Stellung.

VON ERICH WITZMANN
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Die Presse: Die ÖVP hat 42,3 Prozent bei der Nationalratswahl erhalten. Kann Ihre Partei noch zulegen?

Elisabeth Gehrer: Es ist ein ganz enormer Vertrauensvorschuss der Menschen in eine Partei, die ganz klar ihre Ziele genannt hat. Nämlich: Die Stabilisierung des Budgets, die Sicherung der Pensionen, eine Bildungsoffensive, Forschungsoffensive und auch eine Neusituierung Österreichs in einem neuen, gemeinsamen Europa. Die Menschen haben uns mit 42,3 Prozent die Zustimmung gegeben, jetzt ist es unsere Verantwortung, diese Ziele umzusetzen.

Kann die Volkspartei noch einen höheren Zuspruch erhalten?

Gehrer: Ich meine, dass die Zeiten der absoluten Mehrheiten vorbei sind. Auf Bundesebene. Das heißt: Die Zustimmung, die die Volkspartei erhalten hat, mit der gilt es sorgsam umzugehen. Wir müssen den Menschen die Sicherheit für die Zukunft geben, die sie sich von einer großen, starken christlichsozialen Partei erwarten.

In den Ländern gibt es absolute Mehrheiten, warum nicht auch auf Bundesebene?

Gehrer: Theoretisch ist alles möglich. Ich meine auch, dass es sehr schön wäre, wenn man so ein großes Vertrauen bekommt, und wir werden uns natürlich auch bemühen.

In der Entwicklung der politischen Parteien geht es bergauf und bergab. Was soll die ÖVP tun, damit es nicht wieder bergab geht?

Gehrer: Wenn man mit dem Wetterbericht reden möchte, dann müsste man sagen, unser Ziel ist ein stabiles Hoch. Dazu gehört, dass wir sachlich, vernünftig arbeiten, und das muss die ÖVP tun, um das Vertrauen der Menschen zu rechtfertigen. Nämlich: die Zukunft zu sichern, für die Jugend das Beste zu tun, aber auch den Menschen im Alter Sicherheit zu geben. Dazu braucht es eben diese Pensionssicherung, die wir jetzt anstreben. Wir haben gerade bei der letzten Wahl gesehen, dass den Menschen die Wahrheit zumutbar ist.

Es gibt eine stabile VP-Bundesregierung. Aber es gibt Querschüsse der Landeshauptleute, etwa bei der Regierungsbildung, Querschüsse seitens des ÖAAB bei der Pensionsreform. Wie bietet sich da das Bild der ÖVP, jetzt zum Parteitag?

Gehrer: Wir sind eine große Partei, in der es viele Meinungen gibt, und wir sind eine Partei, in der man auch die Meinung sagen darf. Trotzdem ist es so, dass der gewählte Parteiobmann mit seinen Stellvertretern in vielen Gesprächen versucht, die Basis für die Entscheidungen, die man fällen muss, zu legen, und dann werden auch Entscheidungen gefällt. Ich finde das sehr konstruktiv, wenn viele sich einbringen, aber man kann es nicht allen recht machen.

Herausforderung Pensionsreform: Wird noch etwas am jetzigen Konzept verändert?

Gehrer: Die Eckpunkte stehen ganz sicher fest, denn diese Eckpunkte sind notwendig. Wenn man sich anschaut, was der Herr Vorsitzende Gusenbauer vorgeschlagen hat, das sind einfach Luftblasen, die diese Zielsetzung auf keinen Fall ermöglichen. Wir machen einen ehrlichen Vorschlag.

Wie kooperativ sehen Sie bei der Pensionsreform die FPÖ?

Gehrer: Es ist in der Kompetenz des Herrn Sozialministers und Vizekanzlers, und natürlich gibt es da auch Diskussionen, bei zwei Partnern gibt es immer Diskussionen. Aber an den Grundfesten, nämlich, dass die Pension gesichert sein muss, dass wir das Pensionsalter anheben müssen, dass wir eine Durchrechnung machen müssen und dass wir als zweiten Schritt ein einheitliches Pensionssystem im Herbst vorlegen müssen, an diesen Grundfesten wird auch von der FPÖ nicht gerüttelt.

Was kann wirklich noch verändert werden?

Gehrer: Klar ist die Zielsetzung, dass der Zuwachs bei den Kosten für die Pensionen eingebremst werden muss. Es werden alle Vorschläge sehr genau geprüft, es gibt ungeheuer viele Wünsche. Wo man noch allfällige Änderungen machen kann, wird man miteinander besprechen.

Es wundert mich, dass Sie als Anwältin der Frauen nicht deren Problematik angesprochen haben.

Gehrer: Die Frauenproblematik wird genauso sachlich diskutiert. Nur: Wenn wir die Anrechenbarkeit für die Pension von 18 auf 24 Monate bei Kindererziehungszeiten erhöhen, ist das schon einmal ein wichtiger Schritt. Man darf nicht vergessen, die ÖVP ist die Partei, die das Kindergeld eingeführt hat, die Sozialdemokraten haben da überhaupt nichts gemacht. Der Vorschlag, den Herr Dr. Gusenbauer gemacht hat, nämlich, dass die Frauen, die vor der Karenzzeit viel verdient haben, auch viel für die Pension angerechnet bekommen sollen, und diejenigen, die nichts verdient haben, nur die Mindestsumme, halte ich für äußerst unsozial. Denn uns sind alle Mütter, die auf ihre Kinder schauen, gleich viel Wert. Ich habe es so erlebt: Man hat mit der SPÖ monatelang quälend diskutiert, hat dann schlussendlich alles auf den kleinsten gemeinsamen Nenner minimiert, und es ist nie eine gescheite Pensionsreform herausgekommen. Jetzt sind wir verantwortlich dafür, dass nicht alles auf den kleinsten gemeinsamen Nenner minimiert wird, sondern dass mutige Schritte gemacht werden.

Es beginnt eine neue Periode der ÖVP, wie lange werden Sie noch in der Politik bleiben?

Gehrer: Ich bin in dieser Regierung für vier Jahre angelobt worden, ich werde vier Jahre sehr gerne für Bildung, für Wissenschaft und für die Forschung arbeiten.





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