EIN JAHR NACH ERFURT / Wie Schule und Stadt die Vergangenheit bewältigen Der Schatten will weichen

Die Tat eines ehemaligen Schülers kostete sechzehn Menschen und den Täter das Leben. Nach dem Schock wird allmählich ein Neuanfang versucht.

Autor: BIRGITTA MOGGE-STUBBE

Anne wartet schon. Sehr ernst. Sehr konzentriert. Die Zehntklässlerin des Erfurter Gutenberg-Gymnasiums achtet auf Distanz. Erklärt gleich, dass sie „nur sehr wenig Zeit“ hat. Gedämpftes Licht, gedämpfte Stimmung im Foyer des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt. Ja, sie hat an dieser Ausstellung der Kondolenzpost, die ihre Schule nach dem Massaker am 26. April vorigen Jahres aus aller Welt erhalten hat, mitgearbeitet. Schüler und Lehrer haben die Auswahl aus den mehr als 20 000 Beileidssendungen – Briefe, Gedichte, Zeichnungen, Skulpturen, Batiken, bemalte Steine, Kuscheltiere, Kondolenzbücher – getroffen. Ein schmerzlicher Prozess, aber auch ein tröstlicher. „Wir wollten diese Erinnerung“, sagt Anne. Und sie wollten sie eigentlich nur für sich, also in der Schule für die Schule. Das schien ihnen auch deshalb wichtig, weil die Beileidssendungen fast unerreichbar im Rathaus, im Kultusministerium und in der Schulamtsverwaltung, wo immer ein freier Raum war, aufbewahrt und archiviert wurden. In dem Ausweichquartier, in dem das Gutenberg-Gymnasium Unterricht hält, bis es seine Schule wieder beziehen kann, wäre gar kein Platz fürs Aufbewahren. An eine öffentliche Ausstellung war nicht gedacht, bis Schulleiterin Christiane Alt die Idee hatte, dass sich das Gutenberg-Gymnasium damit bei den vielen tausend Menschen bedanken könnte, die mitgetrauert und zu trösten versucht hatten.

Schutz vor Zudringlichkeit

Mag sein, dass sie mit der Ausstellung am anderen Ort auch Schüler und Lehrer vor zudringlichen Fremden, Journalisten zumal, beschützen will. Die negativen Erfahrungen in den Stunden und Tagen direkt nach der Bluttat haben sehr vorsichtig gemacht. Eine junge Frau, die unaufdringlich über der Ausstellung zu wachen scheint, will denn auch nicht mehr sagen, als dass sie Schüler-Mutter ist. Aber dann hilft sie, einen Papierkranich zu falten. Eine japanische Schulklasse hat Hunderte winziger Kraniche geschickt – als Symbol für Frieden.

Der gesamte Artikel findet sich unter

http://www.merkur.de/aktuell/la/bi_031701.html




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