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DAS PORTRÄT
Irritierend
Rainer Heise
Er war der Mann, der Robert Steinhäusers Blutrausch beendete. Er wurde zum Helden erklärt, dann wurden seine Worte bezweifelt, er wurde beschimpft. Was bleibt, ein Jahr danach? Steinhäusers Ende war so, wie Rainer Heise es damals schilderte.
Als am Freitag, 26. April 2002, Robert Steinhäuser kurz vor elf Uhr seinen Massenmord im Gutenberg-Gymnasium begann, ging gerade die vierte Schulstunde zu Ende. Kunstlehrer Rainer Heise, 60 Jahre alt, saß in seiner Klasse und ließ Aquarelle zeichnen. Er hörte einen Knall und dachte wie viele: Baulärm. Dann wurde klar, es waren Schüsse. Schüler rannten durch die Gänge, und Lehrer Heise hetzte durch die Schule, um Kinder nach draußen zu lotsen. Unten, am Ausgang zum Pausenhof, sah er eine schwarze maskierte Gestalt, die mit einer Pistole auf Kinder zielte, aber nicht schoss. "Scheiße. Ich muss nachladen", soll Robert Steinhäuser gerufen haben. Heise rannte ins Haus zurück, wollte die Schulleitung informieren und fand im Rektorat zwei tote Frauen. Er lief in den ersten Stock, schaute aus dem Fenster und hörte plötzlich schlurfende Schritte im Gang. Der Vermummte kam auf ihn zu, die Waffe auf den Lehrer gerichtet, zog sich die Sturmhaube vom Kopf. "Robert, du?" Für heute reiche es, soll Steinhäuser geantwortet haben, als Heise ihn aufforderte, ihm in die Augen zu blicken, wenn er ihn umbringen wolle.
Aber der Amoklauf war zu Ende. Heise stieß den Mordschützen in den Abstellraum 110, schloss ab, nahm den Schlüssel und wartete auf die Polizei. Steinhäuser schoss sich in den Kopf.
Das ist die Geschichte vom Ende Steinhäusers und vom Lehrer Heise. Er hat sie an dem Freitag vor einem Jahr im Fernsehen erzählt, und am Sonntag drauf war er der "Held von Erfurt" (Bild am Sonntag). Es waren irritierende Interviews, die Heise damals gab: Im Ohrensessel erzählte der redegewandte Pädagoge (Bild: rtr) in die Mikrofone - während andernorts Kollegen und Schüler zusammenbrachen und kein Wort mehr herausbrachten. Der Kontrast war so stark, dass Heises Berichte angezweifelt wurden. Rektorin Christiane Alt sagte später, sie hätte sich einen "leiseren Helden" gewünscht. Aus Zweifeln wurden Anfeindungen und Beschimpfungen, als die Polizei erkennen ließ, dass es "Widersprüche" bei der Rekonstruktion des Tatverlaufs gebe, auch wenn einiges an Heises Schilderungen glaubwürdig sei. Für Heise wurde es schlimm: So rasch, wie er zum Helden gemacht worden war, stürzte er ab. Er wurde am Telefon bedroht und angeblich bespuckt. Schließlich nahm die Familie Steinhäuser den Lehrer in Schutz: "Bitte, bitte, nicht noch ein Opfer."
Nach Abschluss der Ermittlungen steht fest, Heises Version vom Ende des Amoklaufs hat sich weitgehend bestätigt. Die Fakten sind: Heise hat Steinhäuser getroffen, er hat ihn in dem Abstellraum eingeschlossen. Ob der Wortwechsel so war wie von Heise geschildert - das weiß nur der Lehrer selbst. Niemand hat zugehört.
Bei der Auszeichnung zum "Mann des Jahres" in Wien sagte Heise im November. "Ich habe mich nie als Held gefühlt. Ich bin ein ganz normaler Lehrer." Heise unterrichtet wieder. bho
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