DER STANDARD
Montag, 28. April 2003, Seite 24
Kommentar 

Schüssel setzt sich durch

Wie der Bundeskanzler die Gegner dieser Pensionsreform auf die Seite räumt

Michael Völker

Wolfgang Schüssel geht seinen Weg. Die parteiinternen Kritiker hat er bereits am Bundesparteitag in die Tasche gesteckt, die FPÖ holt er auch noch auf seine Seite. Und wenn er sie dazu über den Tisch ziehen muss. Der Kanzler hält eisern an seinem Fahrplan fest, und es gibt keinen Zweifel, dass die Pensionsreform am Dienstag den Ministerrat passieren wird. Schüssels einzige Gegner befinden sich auf der Straße: Nur der Gewerkschaftsbund könnte ihm mit Streiks und Aktionen noch zusetzen, sonst läuft alles strikt nach (seinem) Fahrplan. Die Gegner aus den eigenen Reihen hat Schüssel am Parteitag mit seiner Umarmung erdrückt. In einer durchaus beachtlichen Rede zeigte der Kanzler auf, dass es zu ihm als Obmann der ÖVP keine Alternative gibt. Noch. Den Kritikern aus dem ÖAAB und der Wirtschaftskammer nahm er den Wind aus den Segeln, indem er sie überschwänglich lobte, ohne auf die zum Teil persönlich geführte Auseinandersetzung einzugehen. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, der Schüssel in den vergangenen Tagen ordentlich eingeschenkt hatte, konnte sich in der ersten Reihe des Lobes nicht erwehren und musste höflich applaudieren, als ihn der Kanzler de facto abmontierte. Die Sozialpartner, so sprach Schüssel, seien herzlich willkommen - so sie denn überhaupt etwas anzubieten hätten. Sie könnten sich gerne in die parlamentarische Debatte über die Pensionsreform einbringen, so das großzügige "Angebot". Leitl muss in dieser Situation seinem sozialpartnerischen Gegenüber Fritz Verzetnitsch vor Wut innerlich kochend zum Streikbeschluss gratuliert haben. Schüssel hatte mit seiner Ansage nichts anderes signalisiert, als dass er die Sozialpartner auch weiterhin links und rechts liegen zu lassen gedenke. Der Arbeitnehmerflügel der ÖVP, der mit ÖAAB-Chef Werner Fasslabend einen nicht eben durchsetzungskräftigen Parteifunktionär an seiner Spitze hat, war schon längst eingekauft. Das Ziehen der Giftzähne, das Fasslabend mit ernster Miene am Parteitag einforderte, war vorher bereits mit Schüssel vereinbart worden. So dienten die Debattenbeiträge eher dazu, noch einmal Dampf abzulassen, ehe Schüssel zu seiner Wiederwahl als Parteiobmann schritt und die Einigkeit der ÖVP vollzog. Geschickt ist es ihm gelungen, das Wir-Gefühl in der Partei zu stärken. "Wir können es. Wir können Politik machen." Oder: "Uns hat der Wille zur Verantwortung stark gemacht." Dabei könnte das Wir auch durch ein Ich ersetzt werden und Verantwortung durch Macht. Schüssel lässt sich nichts dreinreden, und andere mitreden zu lassen ist auch nicht seine Stärke. Damit haben nicht nur die innerparteilichen Kritiker zu kämpfen, sondern vielmehr noch die Regierungsmitglieder des Koalitionspartners. Sie werden der Pensionsreform zustimmen, und Schüssel wird ihnen gerade so viel an Änderungen zugestehen, dass sie nicht zur Gänze das Gesicht verlieren. Die Strategie, Herbert Haupt als ressortverantwortlichen Sozialminister den ursprünglichen Entwurf zur Pensionsreform verhandeln zu lassen, macht es der FPÖ auch so schwer, hier noch einmal auf den Tisch zu hauen. Schließlich hatte Haupt gleich zu Beginn ("ein gelungener Entwurf") seinen Segen gegeben. Diese Vorgangsweise hat aber auch ihren Nachteil: Eigentlich wäre es am Sozialminister gelegen, der Bevölkerung die Pensionsreform zu verkaufen. Das hat Haupt aber nicht gemacht, weil er selbst nicht wusste, was er davon zu halten hat. So musste seitens der ÖVP Wirtschaftsminister Martin Bartenstein einspringen, dem aber deutlich anzumerken war, dass er nicht wusste, wie ausgerechnet er dazu kommt, sich mit dieser unpopulären Maßnahme in die Öffentlichkeit zu stellen. Dieser Mangel an Kommunikation war ein kleiner Fehler in der Regie, ändert aber nichts daran, dass sich Schüssel auf der ganzen Linie durchgesetzt hat - mithilfe der SPÖ auch gegen die SPÖ.


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