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„Wir wollen den Überraschungseffekt möglichst gering halten“

Pauken für Pisa

Schüler wurden schon vor Wochen über Teilnahme an Leistungstest informiert und trainierten mit Lehrern

Von Christine Burtscheidt

Pisa galt bisher als eine spontane Abfrage des Wissensstandes von 15-Jährigen. Die Schüler werden für den Test nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Außerdem sind die Aufgaben streng geheim. Doch wie jetzt bekannt wurde, sind die Prüflinge im Freistaat bereits seit Wochen über ihre Teilnahme an Pisa 2003 informiert. In den Klassen werden mögliche Aufgaben intensiv trainiert. Das jetzt für ein besseres Pisa-Länder-Ergebnis gepaukt wird, stört die Macher der Studie und die Lehrer aber wenig: „Wenn es etwas hilft“.

In Bayern sind gestern die ersten Tests für den zweiten internationalen Leistungsvergleich angelaufen. Bis 30.Mai muss Pisa 2003 abgeschlossen sein. Diesmal kommt das mathematische Verständnis der 15- Jährigen auf den Prüfstand. 78bayerischen Schulen nehmen teil, darunter auch das Gymnasium in Vilsbiburg. Die 30 Prüflinge aus den Jahrgängen sieben bis zehn wissen bereits seit Mitte Februar, was auf sie zukommt. In einem Rundschreiben zum HalbjahresZeugnis wurden sie informiert. Das Kultusministerium legte dieser Tage noch nach und gab gezielte Hinweise, wo Aufgaben von Pisa 2000 im Internet zu finden seien. Monika Christl, Mathematiklehrerin am Gymnasium Vilsbiburg, hält das Vorgehen für völlig legitim: „Bei Pisa handelt es sich um Aufgaben-Typen, die im Gegensatz zu anderen Ländern bei uns nicht geläufig sind. Wir wollen dadurch den Überraschungseffekt möglichst gering halten“, sagt sie.

Beim ersten Pisa-Test schnitt Bayern im bundesweiten Vergleich sehr gut ab. In Mathematik kam das Land sogar auf Platz eins. International belegte der Freistaat jedoch lediglich den elften Rang, nach England und Frankreich. Könnte also gezieltes Training der Schüler den Freistaat diesmal auf einen der vorderen Plätze katapultieren? „Es ist doch legitim, im internationalen Vergleich Fortschritte zu machen“, meint Lehrerin Christl. Sie glaube aber nicht, dass versucht werde, Ergebnisse zu manipulieren. Einzelne Übungen könnten vorab auf das Testergebnis nicht wirklich Einfluss nehmen. „So kurzfristig kann ich mir keine Effekte vorstellen“, meint die Mathematikerin. Auch Psychologen wie der Münchner Nervenarzt Felix Trester zweifeln daran, dass Schüler sich auf Pisa II wirklich vorbereiten können. „Reines Formelwesen hilft hier nichts. Bei Pisa wird relationales Denken geprüft.“ Mathematisches Wissen muss also auf alltägliche Probleme angewandt werden. Beim ersten Pisa-Test hatten Schüler beispielsweise die Fläche der Antarktis zu bestimmen. Und dennoch: Beim zweiten Durchlauf ist der Aufgabentypus nun bekannt. Am Leibniz-Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften der Universität Kiel, wo der deutsche Pisa-Macher Manfred Prenzel sitzt, sieht man das alles sehr gelassen. „Es ist völlig okay, wenn Lehrer Schüler zum Üben anhalten“, sagt Büroleiterin Gesa Ramm. Sie habe sogar von einigen Ministerien gehört, dass sie Test-Schulen Übungsprogramme für Pisa 2003 bereitgestellt hätten. „Es schadet ja nicht, sich damit vertraut zu machen.“

Dass einzelne Bundesländer so ihre Pisa-Ergebnisse aufwerten könnten, glauben die Studienmacher nicht. „Es ist unwahrscheinlich, dass man durch zweiwöchiges Lernen all das aufholt, was in den letzten Jahren versäumt wurde. “ Die Aufgaben seien sehr unterschiedlich und nur schwer einzuüben. Sollte es anders sein, werden die Kieler es erfahren: Eine Pisa-Frage zielt genau darauf ab.



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