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Das Chaos als Unterrichtsprojekt
Das Bildungsministerium hat sich die zweieinhalb Wochen dauernden "Aktionstage Politische Bildung", die gegenwärtig an den Schulen laufen sollen, wahrscheinlich anders vorgestellt.
VON ERICH WITZMANN
Das Bildungsministerium hat sich die zweieinhalb Wochen dauern den "Aktionstage Politische Bildung", die gegenwärtig an den Schulen laufen sollen, wahrscheinlich anders vorgestellt. Was ein Teil der österreichischen Lehrer in den kommenden zwei Wochen plant, hat mit diesem Schulschwerpunkt wenig zu tun: Als Speerspitze innerhalb der Gewerkschaft öffentlicher Dienst haben die Lehrer schon früh von Kampfmaßnahmen gesprochen, sie wollen streiken oder auch nicht, auf jeden Fall aber Aktionen durchführen, bei denen die Bildung - nämlich der Unterricht - entfallen soll.
Die AHS-Pädagogen haben für den Dienstag bereits den Unterricht abgesagt, die Pflichtschullehrer für diese Woche nicht, die nächste soll dann aber doch gestreikt werden. Nur an den berufsbildenden höheren Schulen geht man eigene Wege. Dieser Schulsparte, die auf ihre Qualität setzt und in zunehmendem Ausmaß den Gymnasien die Schüler abzieht, ist die Unterrichtszeit zu wertvoll, um einem gewerkschaftlichen Aktionismus zu frönen.
Es ist zu hoffen, dass die streikenden Lehrer der Öffentlichkeit mitteilen, warum sie überhaupt den Unterricht abgesagt haben: Gegen die Pensionsreform der Regierung, wie die anderen Teile des Österreichischen Gewerkschaftsbundes? Gegen die vor fünf Wochen angekündigte Stundenreduktion? Gegen die für sie enttäuschend verlaufenden Gehaltsverhandlungen?
Manche Gewerkschafter sind ehrlich genug, um hinter vorgehaltener Hand
zuzugeben: Wir streiken gegen alles. Weil alles so vernetzt oder, wie einmal ein SP-Bundeskanzler gesagt hat, alles so kompliziert ist. Und weil man mit den anderen ÖGB-Teilorganisationen solidarisch sein will. Sollte nämlich die Regierung im Herbst dem immer noch eigenständigen Pensionsrecht der Beamten ein Ende bereiten, erhofft man sich die Hilfe des Gesamt-ÖGB. Und die Lehrer sind die größte Gruppe innerhalb der GÖD, sie machen etwa ein Drittel dieser Teilgewerkschaft aus.
Die Stimmung der Lehrer ist derzeit auf dem Tiefpunkt angelangt. Dass dies nicht gerade dem Unterrichtsklima förderlich ist und damit zu Lasten der Schüler geht, dürfte klar sein. Das Bildungsministerium hat verabsäumt, vor den angekündigten Reformen das Gespräch mit den Lehrervertretern zu führen. Die Stundenkürzung sei keine Gewerkschaftsangelegenheit, sagte Ministerin Elisabeth Gehrer und ließ die Lehrer abblitzen. Das Argument stimmt zwar, überzeugte aber die Lehrer nicht. Bei der nächsten Gelegenheit, eben dem Pensions-Protest des ÖGB, preschten sie in ihrer Teilgewerkschaft als erste vor. Am Montag folgte dann die Polizei.
Trotzdem ist zu hoffen, dass sich die Pädagogen nicht im Aktionismus üben oder wie zuletzt vor zwei Wochen die Schüler mit Unterschriftenlisten auf die Straße schicken (so geschehen an einer Wiener AHS), sondern dass sie aufrichtige Antworten liefern, auch bezüglich der eigenen Standesprobleme. Und dazu sagen, dass es ihren Kollegen an den Handelsakademien und Höheren Technischen Lehranstalten (und den anderen BHS-Typen) wichtiger erscheint, einen Unterricht anzubieten. Weil dort, so sagt BHS-Gewerkschafter Helmut Skala, in der letzten Phase des Schuljahres jede Minute Unterricht kostbar ist.
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