Nachdem der Streik-Tag verraucht ist und das Thema Jantschitsch im LF noch immer angesprochen wird, raffe ich mich doch noch zu einem Kommentar zu Koll. Quin's Jantschitsch-Apologie auf. Meine Anmerkungen dazwischen (mit ***** am Anfang und Ende).



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: owner-lehrerforum@ccc.at [mailto:owner-lehrerforum@ccc.at] Im Auftrag von Eckehard Quin
Gesendet: Sonntag, 4. Mai 2003 15:09
An: Lehrerforum
Betreff: LF: Standard-Artikel zur 45-Minuten-Stunde

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich glaube, einige Missverständnisse ausräumen zu können, die es bezüglich des Standpunktes von Kollegen Jantschitsch offensichtlich gibt.

Die Standard-Redakteurin sprach Kollegen Jantschitsch auf den Vorschlag des Rechnungshofpräsidenten an, der ja die Einführung der 45-Minuten-Stunde fordert. Natürlich hätte Kollege Jantschitsch dessen Vorschlag einfach nur verteufeln können, doch wählte er meines Erachtens einen weit intelligentern Weg. Zur Erklärung meiner Ansicht:

Die 45-Minuten-Stunde gibt es bereits an höheren Schulen (z.B. HIB). Sie gegenüber der Öffentlichkeit als pädagogische Unmöglichkeit darzustellen, ist also wenig zielführend.

***** E.W.: Koll. Quin unterstellt hier, daß die Darstellung der 45-Minuten-Stunde als pädagogische Unmöglichkeit die einzige Alternative gewesen wäre. Zu hinterfragen wäre jedoch vielmehr eine Denkweise gewesen, welche einem 1000-m-Läufer die zehnfache Gage eines 100-m-Läufers zubilligt, weil er ja 10x so weit läuft und daher die zehnfache Leistung erbringt. - So einfach ist es nun einmal nicht, einfach bloß Maßeinheiten (seien es Minuten oder Meter) zu zählen, um Arbeitsleistung zu ermitteln. *****

Kollege Jantschitsch hat aber wohl klar gemacht,
dass eine Lehrpflichterhöhung in diesem Zusammenhang völlig inakzeptabel wäre, und hat anders argumentiert. (Zitat: "Eleganter als eine höhere Lehrverpflichtung wäre es, die Ferien zu kürzen: Weg mit den Semesterferien, mit den Dienstagen nach Ostern und Pfingsten, eine Woche weniger Sommerferien. Für Schüler und Lehrer bleibt die Arbeitszeit gleich, bei kürzerer Wochenarbeitszeit. Bin ich sofort dafür. Einziger Nachteil: Herr Grasser kann darüber nicht lachen.")

***** E.W.: Die Bezeichnung der Variante Y als "eleganter" heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß die Variante X "weniger elegant" sei - von dort bis zu "völlig inakzeptabel", was Kollege Quin hineininterpretiert, ist es semantisch noch ein weiter Weg.
"Weniger elegant" heißt nach meinem Sprachverständnis jedenfalls noch "akzeptabel", zumindestens aber "akzeptabel für den Fall, daß die Variante Y nicht möglich ist", und das ist genau Jantschitsch' Kardinalsünde in dieser Sache: Er hat die 45-Minuten-Stunde hoffähig gemacht. Ab sofort kann man darüber diskutieren, weil sie ja von einem Lehrervertreter selber angeboten worden ist - und die Variante "kürzere Ferien" ist noch dazu NICHT möglich (s.u.).


Ganz abgesehen davon wäre die von
Kollegen Jantschitsch angesprochene Variante eine Verkürzung unserer Arbeitszeit. Wenn die Unterrichtszeit um 10% gekürzt würde, müssten wir ohne Änderung der Ferien um ca. 3,6 Wochen weniger unterrichten, wenn man von 36 Unterrichtswochen ausgeht. Die Streichung von 2 Ferienwochen und zwei Dienstagen brächten uns daher einen "Nettogewinn" von ca. 1,3 Wochen.

***** E.W.: Diese Milchmädchenrechnung ist eines Pädagogen nicht würdig. Kollege Schoedl hat ja schon am Sonntag darauf verwiesen, daß die Realität anders aussieht. *****


Die kategorische Ablehnung der 45-Minuten-Stunde würde in der breiten Öffentlichkeit das Bild von der Gewerkschaft als den ewigen Nein-Sager nur stärken. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir unsere Anliegen einer breiteren Öffentlichkeit nur dann erfolgreich nahe bringen können, wenn wir eine gewisse Offenheit und Flexibilität signalisieren. Die Argumentation von Kollegen Jantschitsch tut das.


***** E.W.: Wenn man Imagepflege betreibt, indem man das Familiensilber verscherbelt, dann ist das zu teuer erkauft. *****


Andererseits gefährdet sie in keiner Weise unseren Status quo. Gerade die Einbindung der erst in den 70er Jahren "erfundenen" Semesterferien (damals "Energieferien") in die Argumentation ist eine schwere Drohung an die Fremdenverkehrswirtschaft, die sich in der sehr wirtschaftsfreundlichen ÖVP wohl mit der Beibehaltung dieser Ferien durchsetzen würde.


***** E.W.: Was Kollege Quin hier als Argument pro Jantschitsch anführt ("Ferienkürzung kommt eh nicht") ist mein stärkstes Kontra-Argument:
Wenn zu der von Jantschitsch salonfähig gemachten 45-Minuten-Stunde sein Kompensationsvorschlag Ferien-Kürzung NICHT kommt, was kommt dann? Sieht irgendjemand eine andere Alternative als Lehrpflichterhöhung? (Noch dazu, wo das eh schon von Fiedler vorgeschlagen wurde.)


Außerdem würde bei der von Kollegen Jantschitsch vorgeschlagenen Variante der Finanzminister keinen Euro sparen. Und JEDE Idee, die nicht Einsparungen für das Budget bringt, hat im Augenblick keinerlei Chance auf Umsetzung.

***** E.W.: Ja, aber bei einer Lehrpflichterhöhung casht der Finanzminister voll ab - und hat jetzt bereits einen Fuß in der Tür, dank Jantschitsch' freundlichem Offert einer 45-Minuten-Stunde. *****

[...]

Mit kollegialen Grüßen

Eckehard Quin



***** P.S. E. W.: Die zweite Frage der Redakteurin lautete: "Ein großer Teil der Lehrer ist pragmatisiert und gar nicht betroffen von der jetzigen Pensionsreform." Diese Behauptung läßt Jantschitsch unwidersprochen. Er sagt nur, daß etwa die Hälfte pragmatisiert ist und daß eine Harmonisierung im Herbst droht. Von den Auswirkungen der aktuellen Vorlage auch für pragmatisierte Lehrer sagt er gar nichts. - Wofür haben wir (Pragmatisierte) am Mittwoch dann eigentlich gestreikt?
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