Vorbemerkung E.W.: Und ich habe geglaubt, es gibt nur Problem-Bären und Problem-Lehrer ...
DER STANDARD
Montag, 12. Mai 2003, Seite 7
"Vertuschen darf es nicht geben"
Kunstfehler, Mängel im Gesundheitssystem und geschädigte Patienten: Das macht der Pathologe Wolfgang Pflanzl in seinem Buch "Tatort Spital" zum Thema. Elisabeth Steiner sprach mit dem Autor, dessen Dokumentation das Burgenland in helle Aufregung versetzt.
STANDARD: Sie haben mit Ihrem Buch "Tatort Spital" einen Wirbel ausgelöst. Warum haben Sie es geschrieben?
Pflanzl: Nach 16 Jahren Pathologie im Krankenhaus Oberwart musste ich feststellen, dass man nach ärztlichen Behandlungsfehlern überhaupt nicht suchen will. Dann kann man nämlich behaupten, es gibt gar keine Fehler.
STANDARD: Es könnte der Eindruck entstehen, es handle sich um eine Abrechnung . . .
Pflanzl: Das ist keine persönliche Abrechnung, sondern der Versuch, eine Diskussion im Umgang mit ärztlichen Kunstfehlern in Gang zu bringen. Vertuschen, Verschleiern und Totschweigen darf es einfach nicht geben.
STANDARD: Kritiker sagen, Sie haben die Fälle anonymisiert und deshalb nicht nachvollziehbar gemacht. Warum?
Pflanzl: Weil ich konkrete Personen und Örtlichkeiten nicht in die Auslage stellen will. Schließlich gibt es ja auch die ärztliche Schweigepflicht. Die Staatsanwaltschaft hat sämtliche Belege für diese Fälle. Außerdem hätte sofort eine Einschüchterungs- und Diffamierungskampagne begonnen. Das hab ich ja erleben müssen.
STANDARD: Inwiefern?
Pflanzl: Da hat der burgenländische Ärztekammerpräsident behauptet, ich hätte die Pathologie in Oberwart zugrunde gerichtet und sei deshalb entlassen worden. Das hat er zurücknehmen müssen. Es wurden Gerüchte gestreut, ich sei ein Trinker und Spieler.
STANDARD: Warum haben Sie gekündigt?
Pflanzl: Weil man mich in der Pathologie völlig alleine ließ. So wird immer reagiert, wenn einer Missstände aufzeigen will. Man setzt ihn mit Disziplinaranzeigen unter Druck, entzieht ihm das Personal und wartet, bis er Fehler macht. Mein Nachfolger hat nach zwei Monaten das Handtuch geworfen. Heute ist die Pathologie in Oberwart vakant.
STANDARD: Haben Sie selbst Fehler gemacht?
Pflanzl: Ja, zwei. Aber schon vor Jahren. Und die spuken mir immer noch im Kopf herum, weil ja zwei Menschen damit verbunden sind. Ich habe Selbstanzeige erstattet.
STANDARD: Ein Fall aus dem Buch hat sich laut Landesrat Peter Rezar als "keiner" entpuppt. Der Patient, dem eine Niere entfernt wurde, obwohl er keinen Krebs hatte, fühlt sich gut behandelt.
Pflanzl: Eine ungerechtfertigt entfernte Niere mit zwei Zysten ist und bleibt ein Kunstfehler. Auch wenn der Patient zufrieden lächelt. Wenn man so im Burgenland argumentiert, ist für doppelt angelegte Organe von Patienten das Schlimmste zu befürchten.
STANDARD: Die Verantwortlichen behaupten, sie hätten von nichts gewusst.
Pflanzl: Das lässt sich leicht entkräften. Jede Falldokumentation des Pathologen geht schriftlich an die verantwortlichen Stellen, vom behandelnden Arzt über den Abteilungsvorstand bis zur Karges.
STANDARD: Was sind die größten Fehler im System?
Pflanzl: Auch wenn die Ärzte emsig an ihrem Image der Götter in Weiß feilen, passieren doch immer wieder Kunstfehler, bis hin zum tödlichen Ausgang. Da gibt es eben Magenentfernungen, Brustamputationen nach falschen Krebsdiagnosen, offene Tbc, die nicht entdeckt wird. Man kann sie aber nur ausschalten, wenn man ein gutes Fehlermanagement hat.
STANDARD: Sie sprechen auch von einer "Potemkinschen Medizin".
Pflanzl: Man baut Spitäler und kauft modernste Geräte mit einem gigantischen finanziellen Aufwand. Aber man spart beim Bedienungspersonal. Diese Rechenstiftmedizin führt zur Patientengefährdung.
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